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Die großen Bärte

Luc Ferry. In Frankreich ist man es gewohnt, mit Symbolen zu hantieren. Es ist das Land, das den Symbolismus – als literarische Bewegung – hervorgebracht hat und das sich bis heute auf große Gesten und pompöse Rituale versteht. Nun aber sollen genau dort bestimmte Symbole aus dem öffentlichen Leben verdrängt werden. So hatte es Präsident Jacques Chirac im Dezember angekündigt: Demonstrative religiöse Zeichen werden aus den staatlichen Schulen verschwinden.

Zu definieren, welche Symbole das genau sind, ist jetzt Sache des Bildungsministers Luc Ferry. Fest steht, dass der Gesetzestext so formuliert sein wird, dass Kopftuch, Schleier und Burka unter die nicht akzeptablen auffälligen religiösen Symbole fallen werden. Als problematisch galt bisher, dass damit nur die Mädchen wegen ihrer Demonstration für den Islam vom Unterricht ausgeschlossen werden können, obwohl sie ja gerade als Opfer von Unterdrückung durch die moslemischen Männer gelten. Diesem Widerspruch versuchte Ferry jetzt beizukommen: »Auffällig« getragene Bärte, wenn sie ein religiöses Symbol darstellten, sollen ebenfalls einen eventuellen Ausschlussgrund darstellen.

Nun tragen tatsächlich radikale Islamisten oft Bärte, weil angeblich der Prophet das Rasieren verboten hat. Aber es gibt auch Hippie- und Öko- oder andere Bärte. Also wird künftig, da war der Minister deutlich, auch auf den Kontext zu achten sein, in dem der Bart getragen wird. Preisfrage: Wie macht man das, ohne auf die Abstammung und Herkunft des Betroffenen abzuheben, d.h. ohne zwischen dem Bart von François und dem von Mohammed zu unterscheiden? Angeblich soll der staatliche Laizismus ja gerade dazu dienen, dass die Individuen sich nicht über ihre (religiöse) Herkunft definieren, damit die republikanische Gleichheit herrschen kann. Ein schönes Chaos!

The Big Newton

Helmut Newton. Dies ist ein kleinformatiger Nachruf auf einen Künstler, der das große Format liebte und die Idee des »think big« umstandslos auf seine Arbeit übertragen hat. Große Frauen auf großen Fotoleinwänden waren sein Markenzeichen. Mit seinen »Big Nudes« schaffte er es in die großen Museen ebenso wie in die Wohnungen amerikanischer und europäischer Durchschnittsbürger. Denn Newtons Aktbilder waren gerade noch pornografisch genug, um ein zwingendes Interesse beim Betrachter zu wecken, aber zugleich auch so ästhetisch, dass sie problemlos in Galerien oder Wohnzimmer gehängt werden konnten. Newton war ein Künstler für ein breites Publikum, nichts für Kenner und kleine elitäre Kreise. Die begannen ihn – je populärer er wurde – immer mehr als Altherrenerotiker zu verachten.

Ihm verdankt die Fotogeschichte jedoch, dass die neckische Häschen-Pose, wie sie das amerikanische Pin-up kreierte, aus der Aktfotografie so gut wie verschwunden ist. An die Stelle von dümmlichem Gelächle und neckischen Haltungen traten seine Inszenierungen von weiblichem Selbstbewusstsein und femininer Coolness, die Standards setzten. In der Modefotografie ebenso wie im Bereich der Erotikaufnahmen.

Helmut Newton musste als Sohn jüdischer Eltern aus dem Berlin der Nationalsozialisten fliehen und lebte fortan im Ausland, zunächst in Singapur, später in Australien, zuletzt in den USA. Erst im vergangenen Jahr vermachte er sein Werkarchiv an seine Geburtsstadt, von der er sagte, dass er sie nach seiner Flucht vermisst habe, im Unterschied zu Deutschland, auf das er verzichten konnte. Und zwar auch deshalb, weil er das schlechte Wetter hasste.

Helmut Newton verunglückte in der vergangenen Woche in Los Angeles tödlich. Er war 83 Jahre alt und hatte gewirkt wie ein Mann, der die Absicht hat, 100 zu werden.

Zentralrat geht stiften

Gedenkstätten. Das Problem war bekannt, wurde aber verdrängt. Bei der Neugestaltung der Gedenkstätten in Sachsen setzt sich eine Tendenz durch, zwischen den unterschiedlichen Opfergruppen – den jüdischen Verfolgten und Ermordeten der NS-Diktatur und den Opfern des Stalinismus – nicht mehr so deutlich zu unterscheiden. Das hatten Kritiker des Gedenkstättengesetzes, u.a. der Zentralrat der Juden, zwar immer wieder angeführt, waren aber nicht wirklich gehört worden. Die zuständigen Gremien in der Stiftung Sächsische Gedenkstätten verschleppten die Auseinandersetzung. Deshalb sah sich der Zentralrat jetzt dazu genötigt, deutlicher zu werden und sich aus der Stiftung zurückzuziehen.

Mit dem Schritt verbunden sei ein Zeichen »gegen die allmähliche Einebnung fundamentaler Unterschiede zwischen nationalsozialistischem Völkermord und SED-Diktatur«, sagte Vizepräsident Salomon Korn in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. »Ich beobachte die Entwicklung der letzten Jahre mit einer gewissen Sorge«, sagte er und verwies auf eine von der CDU/CSU im Bundestag vorgelegte Initiative zur Förderung von Gedenkstätten zur Diktaturgeschichte in Deutschland, der das sächsische Stiftungsgesetz zu Grunde liegt.

Das Parlament wird am 30. Januar auf Antrag der Union über ein Gedenkstättenkonzept in der Bundesrepublik debattieren, bestätigte das Büro des Berliner CDU-Bundestagsabgeordneten Günter Nooke. Dabei werde Sachsens Wissenschaftsminister Matthias Rößler (CDU) über das sächsische Gedenkstättengesetz sprechen. Nach diesem Konzept seien »am Ende alle Opfer der beiden deutschen Diktaturen«, sagte Korn und mahnte eine klare Unterscheidung an.