Lottofee geht stempeln

Neues Glücksspiel beim Hessischen Rundfunk

Ein wenig trostlos ist es schon, wenn um kurz vor sieben Uhr abends eine mäßige Computergrafik die Ziehung der Lottozahlen beim Fernsehen des Hessischen Rundfunks animiert. Aus Zahlenreihen, die räumliche Tiefe suggerieren sollen, bewegen sich Gewinnzahlen auf den Zuschauer zu. Keine Moderatorin, die die Trommel in Bewegung setzt, kein Rauschen von Kugeln, das dem Fernsehzuschauer auch akkustisch bestätigt: Hier geht alles mit den rechten Dingen des Zufalls zu, und nicht mal ein Aufsichtsbeamter, der sich vom ordnungsgemäßen Zustand des Ziehungsgerätes überzeugt hat. Lediglich die Stimme, die die Gewinnzahlen vorträgt, wird für jede Sendung neu eingesprochen.

Seit Montag der vergangenen Woche bestimmt beim Hessischen Rundfunk ein Computer über Glück oder Pech beim Lottospiel Keno. Das aus China stammende Spiel wird auf der ganzen Welt in unterschiedlichen Variationen gespielt und gilt als das beliebteste Glücksspiel überhaupt. Ähnlich dem bekannten »6 aus 49« werden aus insgesamt 70 Zahlen 20 Gewinnzahlen ermittelt. Zusätzlich können pro Kästchen mehrere Zahlen getippt werden. Je mehr Treffer ein Spieler landet, desto größer sein Gewinn.

Was auf den ersten Blick so simpel erscheint, ist für den Computer keineswegs trivial. Schon seit Jahrzehnten plagen sich MathematikerInnen und InformatikerInnen mit der Aufgabe, Zufallszahlen mit einem Computer zu generieren. Zwar verfügt fast jeder Taschenrechner über eine entsprechende Zufallsfunktion, die Ergebnisse sind aber weiterhin unbefriedigend. Computer sind deterministische Maschinen, die auf jede konkrete Eingabe eine definierte Ausgabe liefern. Für das Konzept des Zufalls sind sie daher ungeeignet. Jeder Algorithmus, der zu diesem Thema entworfen wurde, liefert nur eine Zahlenreihe, die Pseudozufallszahlen genannt werden.

So ist es kaum verwunderlich, dass das Berliner Fraunhofer-Institut, das Keno im Auftrag der hessischen Lottogesellschaft entwickelte, sich nicht ausschließlich auf einen deterministischen Algorithmus verlässt, sondern auf analoges Rauschen. Ein Transistor, dessen schwache Signale elektronisch verstärkt werden, liefert den Zufall. Transistoren eignen sich deshalb für diese Aufgabe so gut, weil ihr Grundrauschen keinem vorhersehbaren Schema unterworfen ist. In Kombination mit einem zweiten, softwaregestützten Generator, der Pseudozufallszahlen errechnet, soll die Maschine echte Zufälle liefern.

»Das Ziehungsgerät arbeitet völlig autonom und hat keine einzige Kabelverbindung nach außen«, sagt Dr. Sergio Montenegro vom Fraunhofer-Institut für Rechnerarchitektur und Softwaretechnik (First). »Die Daten werden dann per Infrarot an einen weiteren Rechner übertragen und dort für die Zuschauer in bunte 3-D-Grafiken auf dem Bildschirm umgesetzt.« Alle Bestandteile des Rechners sind redundant ausgelegt. Fällt ein Teil aus, übernimmt automatisch ein anderes dessen Aufgabe. Den Segen vom Tüv Rheinland hat das Gerät bereits und der zugrunde liegende Programmcode soll demnächst veröffentlicht werden.

Die Anschaffung der Rechners war vergleichweise billig. Nur 58 000 Euro kostete die Technik. Ein Taschengeld im Vergleich zu einem vollständig eingerichteten Fernsehstudio mit Lottofee und richtigem Aufsichtsbeamten.

martha e. meuschke