Staatsfeind gesucht

Die Verhaftung von Cesare Battisti von federica matteoni und bernhard schmid

Noch immer versucht der italienische Staat, an seinen ehemaligen linksradikalen Feinden aus den siebziger Jahren ein Exempel zu statuieren. Auch an denen, die sich vor Sondergesetzen und -prozessen in das europäische Ausland retten konnten. Einige von ihnen leben seit den frühen achtziger Jahren in Frankreich. Schon in den neunziger Jahren wurden mehrere auf Verlangen der italienischen Behörden abgeschoben.

Der jüngste Fall datiert von voriger Woche und betrifft den Schriftsteller Cesare Battisti, der als Krimiautor in Saint-Denis bei Paris lebte. In Italien ist er nach den Ausnahmegesetzen für »bewaffnete Erhebung gegen den Staat« verurteilt worden. 1977 gehörte er in Mailand zu den Gründern der Organisation »Bewaffnete Proletarier für den Kommunismus« (Pac), einer im Umfeld der Autonomia Operaia entstandenen Gruppierung. Nachdem er durch eine spektakuläre Aktion aus dem Gefängnis befreit worden war, flüchtete Battisti Anfang der achtziger Jahre nach Frankreich. 1985 wurde er von einem italienischen Gericht wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Politisches Asyl erhielt er, nachdem ein französischer Richter die »Beweislast« als »einer Militärjustiz würdig« gewertet hatte.

Ob die französischen Richter den Schriftsteller nach Italien ausliefern werden, ist noch unklar. Das Innenministerium möchte ihn so lange in Gewahrsam behalten, bis Richter erneut über das Überstellungsersuchen des italienischen Staates entschieden haben. Das kann bis zu einem Jahr dauern. Sein Fall wird aber entscheidend sein, was die Zukunft zahlreicher italienischer Intellektueller betrifft, denen Frankreich Ende der siebziger Jahre Zuflucht vor der italienischen Repression bot. Die so genannte »Mitterand-Doktrin«, welche politischen Flüchtlingen einen Auslieferungsschutz versprach, verlor ab 2002 ihre Gültigkeit. Mit einem – symbolisch am 11. September 2002 unterschriebenen – Abkommen zwischen dem französischen Justizminister Dominique Perben und seinem italienischen Amtskollegen Roberto Castelli wurde diese »Doktrin« de facto aufgehoben. Seitdem entscheidet die französische Justiz nach strengen Kriterien über jeden einzelnen Fall.

Das erste Opfer des neuen, nach dem Anfang des »Krieges gegen den Terror« gefahrenen Kurses war 2002 Paolo Persichetti (Jungle World, 37/02). Seine Auslieferung nach Italien erfolgte nach der Ermordung des Regierungsberaters Marco Biagi im März 2002. Die »neuen« Roten Brigaden bekannten sich damals dazu. Persichetti, der seit 1992 in Frankreich als Autor und Lehrbeauftragter an der Universität Paris VIII lebte, wurde mit dem Mord in Verbindung gebracht. Es war die erste Auslieferung, seit Mitterand 1985 die italienischen Antiterrorgesetze für mit den Menschenrechten unvereinbar erklärt hatte. Damit wurde ein Präzedenzfall für die über 140 politischen Exilierten geschaffen, die sich in Frankreich niedergelassen haben und die jetzt ihre Rechtsgarantien bedroht sehen.

Es handele sich um einen Vergeltungsakt, der unter dem Vorwand der Justizvollstreckung das Strafrecht zur Lösung sozialer Konflikte benutze, schreibt in einem Solidaritätsschreiben der ehemalige Theoretiker von Autonomia Operaia, Oreste Scalzone. An dieser Logik scheint sich seit den »bleiernen Jahren« der staatlichen Repression in Italien nichts geändert zu haben. Eine Lösung der Situation der politischen Gefangenen durch ein Amnestiegesetz kommt nicht in Frage.

»Staatsfeinde« werden doch immer gebraucht.

Einer Unterschriftenkampagne zur Freilassung von Cesare Battisti kann man sich hier anschließen: