Kugeln ins Herz

Nach den Wahlen im Iran von wahied wahdathagh

Schon bevor offizielle Zahlen bekannt gegeben wurden, jubelte die Tageszeitung Jomhuri Islami über die »gigantische Beteiligung«, und Hassan Rohani, Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrates und einer der mächtigsten Männer der khomeinistischen Nomenklatura, war sich sicher, dass die Iraner die Islamische Republik verteidigen würden.

Den Wahlanalysen der Nachrichtenagentur Isna zufolge kann die konservative Fraktion des religiösen Führers Ali Khamenei jedoch nur mit der Unterstützung von 15 Prozent der Wahlberechtigten rechnen. Die ersten Ergebnisse der Wahlen zum siebten islamistischen Parlament bestätigen diese Einschätzung. In Teheran wählten am vergangenen Freitag selbst nach offiziellen Angaben nur 28 Prozent der Bevölkerung, landesweit waren es 50,57 Prozent.

Da die Mullahs versucht hatten, mit einem Trommelfeuer von Aufrufen und Drohungen eine hohe Wahlbeteiligung zu erzwingen, war die Enthaltung für die meisten Iraner ein politischer Boykott und eine Absage an die Islamische Republik.

Die islamistische Propaganda hatte die Stimmabgabe zur religiösen Pflicht erklärt. Die Boykotteure seien »Verräter am Islam und am Vaterland«, erklärte Ahmad Jannati, der Vorsitzende des Wächterrats, denn »Wählen ist nicht weniger wichtig als Beten«. Schließlich unterstütze US-Präsident George W. Bush den Boykott. »Jede abgegebene Stimme ist wie eine Kugel ins Herz von Bush«, prophezeite der von einer hohen Wahlbeteiligung überzeugte Jannati. Ganz pragmatisch wurden zudem alle Staatsbediensteten gewarnt, dass ein Fehlen des Stempels im Ausweis, der die Wahlbeteiligung nachweist, zur Entlassung führen könne.

Es war Jannatis Wächterrat, der durch die Disqualifizierungen der »reformislamistischen« Kandidaten, die Präsident Muhammad Khatami nahe stehen, die Wahlen noch weiter entlegitimiert hatte. Frei waren die Wahlen im islamistischen Iran jedoch nie. Nach der Revolution von 1979 wurden die Kommunisten, die säkularen Nationalisten und später die Nationalreligiösen nacheinander illegalisiert und von Wahlen ausgeschlossen. Die »Reformislamisten«, die sich auch auf Khomeini berufen, ahnten damals noch nicht, dass der Wille der Staatsklasse der Mullahs zur Alleinherrschaft auch sie eines Tages von der politischen Macht ausschließen würde.

Aus der Sicht der Konservativen ist der »Reformislamismus« ein missglücktes Experiment, das die Legitimität der Islamischen Republik nicht erhöht hat. Deshalb disqualifizierte der Wächterrat mehr als die Hälfte der Kandidaten, und von den zugelassenen Kandidaten erklärten am Wahltag 1 189 ihren Rücktritt. Nun werfen beide Fraktionen einander Wahlfälschung vor. Während die »Reformislamisten« behaupten, dass über sechs Millionen Pässe aus Pakistan importiert worden seien, die zur Wahlfälschung dienen sollen, geht der Wächterrat davon aus, dass die »Reformislamisten« sich mit Geld Stimmen kaufen.

Das Ergebnis der legalen und illegalen Manipulationen dürfte ein Sieg der einflussreicheren Hardliner sein. Vermutlich werden sie zwei Drittel der Sitze im neuen Parlament erhalten, das bislang von den »Reformislamisten« dominiert wurde. Am khomeinistischen Herrschaftssystem wird das nichts Grundsätzliches ändern. Die Menschen im Iran haben die Hoffnung auf Reformen innerhalb des Systems verloren. Die Hardliner haben an Selbstbewusstsein gewonnen, und sie werden das vorgebliche Votum der Wähler benutzen, um die Repression weiter zu verschärfen.