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Koalition der Willigen

Libanon/Deutschland. Unter dem Motto »Die islamische Welt und Europa: Vom Dialog zur Verständigung« hatte man sich in der vergangenen Woche in Beirut versammelt. Europa wurde vornehmlich durch deutsche Islamwissenschaftler und die »islamische Welt« fast ausschließlich durch Islamisten vertreten. Manche Teilnehmer kritisierten die islamistische Dominanz, und das Simon-Wiesenthal-Center in Los Angeles protestierte in einem offenen Brief an Bundeskanzler Gerhard Schröder gegen die Beteiligung von Hizbollah und Hamas an einer Veranstaltung, die auch von der sozialdemokratischen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) finanziert wird.

Die libanesische Tageszeitung Daily Star berichtete zuvor, die Veranstaltung habe »zu einigen Kontroversen in Deutschland geführt, nachdem ein Zeitungskommentator sie als antisemitisch bezeichnete«. Die Organisatorin Leslie Tramontini hält das für »Polemik«, es habe in Deutschland »so viel positive Resonanz« gegeben. Sie vertraute dem Daily Star auch an, wessen Initiative die Konferenz zu verdanken ist: »Die Idee kam 2002 vom Think Tank der Hizbollah.« Der FES-Repräsentant Samir Farah ist vom Ergebnis der Konferenz so angetan, dass er permanente Arbeitsgruppen gründen will, um »den Dialog zwischen Islamisten und Europäern aufrechtzuerhalten«.

Gefährdete Ordnung

USA. Die demonstrierenden christlichen Rechten sind sich sicher. »Die Bösen werden zur Hölle fahren«, kündigten sie den Homosexuellen an, die im Rathaus von San Francisco auf ihre Hochzeitszeremonie warteten. 3 175 Paare ließen sich von dieser Aussicht nicht abschrecken. Gouverneur Arnold Schwarzenegger sieht darin eine »unmittelbare Gefahr für die bürgerliche Ordnung«, er wies den Generalstaatsanwalt Bill Lockyer an, eine »endgültige juristische Lösung« zu erwirken. Bislang vier kalifornische Gerichte haben jedoch keine Gefahr für die bürgerliche Ordnung erkennen können.

Der Ausgang des Streits in Kaliformien hat symbolische Bedeutung für den »Kulturkrieg« um die Homo-Ehe, der neu entbrannt ist, seit George W. Bush diese Frage zum Wahlkampfthema gemacht hat (Jungle World, 9/03). Die Anzahl der Befürworter der Homo-Ehe ist in Kalifornien auf 44 Prozent gestiegen, doch selbst an der liberalen Westküste lehnen 51 Prozent die rechtliche Gleichstellung der Homosexuellen ab.

Road Map für Kaschmir

Pakistan/Indien. Beschlossen hat man nur, wann man über welche Probleme weiter verhandeln will. Doch schon dass beide Seiten die Friedensgespäche in der vergangenen Woche nicht nur als »konstruktiv«, sondern sogar als »herzlich« bezeichneten, kann nach zwei Kriegen um Kaschmir und einer lange gepflegten Feindschaft als Fortschritt gelten. Erstmals haben beide Regierungen auf Vorbedigungen für die Aufnahme von Verhandlungen verzichtet.

US-amerikanischer Druck dürfte die Kompromissbereitschaft gefördert haben. In den Oligarchien Indiens und Pakistans scheint sich aber auch die Einsicht zu verbreiten, dass die ständigen Drohgebärden beider Nuklearmächte kein gutes Investitionsklima schaffen und alle Entwicklungsbemühungen gefährden. Allerdings haben beide Regierungen Probleme mit gegenwärtigen und ehemaligen fundamentalistischen Verbündeten, die den neuen Kurs ablehnen. Immerhin haben die pakistanischen Islamisten zugesagt, den für März geplanten Besuch des indischen Cricket-Nationalteams nicht zu stören. Die Hindu-Extremisten der Shiv Sena dagegen lehnen sportliche Kontakte weiterhin ab.

Besser spät als nie

Mexiko. Der ehemalige Chef der mexikanischen Geheimpolizei, Miguel Nazar Haro, ist am Mittwoch vergangener Woche wegen der Entführung eines angeblichen linken Guerilleros in Mexiko-Stadt festgenommen worden. Es ist die erste Festnahme eines ehemaligen Regierungsoffiziellen wegen des von den sechziger Jahren bis Anfang der achtziger Jahre vom mexikanischen Staat durchgeführten »schmutzigen Krieges«, in dem hunderte Linke entführt, gefoltert und umgebracht wurden.

Nazar Haro leitete von 1978 bis 1982 das drei Jahre später aufgelöste Bundessicherheits-Direktorium und diente nebenbei als wichtige CIA-Connection. Er wird verdächtigt, 1975 die Entführung von Jesús Piedra Ibarra angeordnet zu haben. Der damals 21jährige Ibarra wurde nach Angaben der mexikanischen Menschenrechtskommission gefoltert, in ein Militärlager in Mexiko-Stadt transportiert und jahrelang im Geheimen gefangen gehalten. Letzte Lebenszeichen datieren von 1984. Sein Körper wurde nie gefunden.

Knigge für Bürokraten

China. Schmuggel, Erpressung, illegales Glücksspiel, Bordellbesuche – insgesamt 174 Punkte umfasst die Liste der Vergehen, deren sich Mitglieder der KP enthalten sollen. Vor allem aber geht es in den am Donnerstag der vergangenen Woche veröffentlichten »Regeln der internen Überwachung« um Korruption. Denn zwischen 1998 und 2002 stieg die Zahl der Parteimitglieder, die wegen Bestechlichkeit bestraft oder diszipliniert wurden, nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua um mehr als ein Viertel auf 846 150.

Seit ihrer Gründung habe die KP »unermüdlich gegen die Korruption gekämpft«, erläutert Xinhua. Dass diese dennoch immer größere Ausmaße annimmt, wird vor allem auf »Schlupflöcher bei der Überwachung« zurückgeführt, die nun durch neue Disziplinarkommissionen gestopft werden sollen. Einen Zusammenhang mit den kapitalistischen Reformen bei Beibehaltung der Parteidiktatur mag die KP nicht sehen. Wer seinen Mitgliedern aber abverlangt, zugleich Marxist, Anhänger der »Mao-Zedong-Ideen« und der prokapitalistischen »Theorie der drei Vertretungen« zu sein, muss sich nicht wundern, wenn die so zur Schizophrenie gezwungenen Genossen manchmal widersprüchlich handeln.