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Wo bin ich?

Merkel in der Türkei. Du, lass uns gute Freunde bleiben. So in etwa musste der türkische Staatspräsident Tayyip Erdogan das Angebot Angela Merkels an die Türkei verstehen, statt einer Aufnahme in die Europäische Union künftig eine »privilegierte Partnerschaft« zu pflegen. Dafür erntete sie viel Kritik, sogar aus den eigenen Reihen. Außenminister Joschka Fischer (SPD) urteilte hart, Merkel habe sich wie ein »politisches Panzernashorn im Porzellanladen« verhalten.

Eine Erklärung für die undiplomatische Entgleisung der CDU-Vorsitzenden ist noch nicht gefunden. Aber es mehren sich die Hinweise darauf, dass Frau Merkel nicht nur nicht wusste, was sie tat, sondern auch nicht, wo sie sich befand. Nach Angaben der Netzeitung soll Merkel während ihres Besuchs in Ankara ein Delegationsmitglied gefragt haben, wo eigentlich Anatolien liege.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün sagte dazu: »Wer nicht einmal weiß, wo Anatolien liegt, sollte nicht bestimmen wollen, wo das politische Europa aufhört.« Ende des Jahres will die EU entscheiden, ob sie Gespräche, die auf einen Beitritt der Türkei abzielen, beginnen soll.

Undankbare Manager

Wirtschaftsfreundlichkeit. Sie halfen mit allen Kräften, die Flächentarife zu durchlöchern, duldeten nur bescheidenste Lohnforderungen, machten den Weg frei für einen Billiglohnsektor, trafen eine Entscheidung nach der anderen, die dem kleinen Mann nicht schmeckt, alles nur für die Wirtschaft. Und was ist der Dank?

Politiker und Gewerkschaften sind nach Angaben des Tagesspiegel empört, dass sich einige Topmanager nicht erkenntlich zeigten für das, was ihnen in der Vergangenheit kredenzt wurde. Sie hätten den wirtschaftsfreundlichen Kurs der Bundesregierung ausgenutzt. »Viele Wirtschaftsführer, die das 300- bis 500fache eines Durchschnittsverdieners auf dem Konto haben, kommen ihrer Vorbildfunktion in keinster Weise nach«, sagte der SPD-Abgeordnete Lange. Die Unternehmen zögen sich bei der Bereitstellung von Ausbildungsplätzen aus der Verantwortung und dächten nicht langfristig, ja schadeten sogar, etwa im Falle des Maut-Konsortiums Toll Collect, dem Investitionsstandort Deutschland.

Was nach einer wunderbaren Freundschaft aussah, scheint sich in ein Hauen und Stechen verwandelt zu haben. Die Messer werden gewetzt, die Peitschen ausgepackt. »Wir müssen dafür sorgen, dass Subventionen mit klaren Verpflichtungen für den Unternehmer verbunden werden«, verlangte der Juso-Vorsitzende Niels Annen in Domina-Manier.

Ja, ja, Enttäuschungen sind nicht leicht hinzunehmen. Aber auf Regen folgt Sonnenschein. Die gute Zusammenarbeit ist bestimmt nicht am Ende. Es wird schon wieder. Ganz bestimmt.

Neue Ehre

Kurt Georg Kiesinger. Sie wollen einen ehemaligen Nationalsozialisten zu neuen Ehren kommen lassen? Kein Problem: Suchen Sie sich einen öffentlichen Ort, etwa einen Platz oder ein Gebäude, welches nach ihm benannt werden kann, und laden Sie zur Feierstunde einen seiner ehemaligen Parteikollegen ein, der von den guten Eigenschaften des Geehrten berichten kann. Sollten nachtragende Nörgler Kritik üben, wird sich schon eine andere Stätte finden lassen, die den Namen des Nazis trägt. Darauf kann man dann verweisen. Und Sie selbst sollten wenigstens schon mal derer gedacht haben, die sich dem NS-Regime entgegenstellten oder ihm gar zum Opfer fielen. Dann ist alles im Lot.

Mit dem Hinweis auf einen Kiesinger-Platz in Stuttgart und die jährlichen Feierlichkeiten zum 20. Juli verteidigte der Oberbürgermeister im baden-württembergischen Albstadt, Jürgen Gneveckow (CDU), nach Angaben der taz die Entscheidung seines Gemeinderats, eine Straßenkreuzung nach dem frühen NSDAP-Mitglied und ehemaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger zu benennen. Zu dessen 100. Geburtstag soll es geschehen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung lädt zu einer Feierstunde am 3. April mit Hans Filbinger, dem früheren NS-Richter und Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg. Leni Riefenstahl und Ernst Jünger waren wohl verhindert.

Die Gesellschaft fliegt

Heide Simonis. Noch regiert Heide Simonis (SPD) in Schleswig-Holstein. Gerade diese Einschränkung dürfte ihr zu schaffen machen. Sie arbeitet vehement daran, dass sie auch nach den Landtagswahlen im Februar 2005 weiter an der Macht bleibt. Sie hat bereits eine Strategie entwickelt.

In einem Interview mit der Berliner Zeitung sagte sie in der vorigen Woche, der Begriff der »sozialen Schieflage« sei ihr im Zusamenhang mit der Agenda 2010 »zu dramatisch«. Dennoch entging ihr nicht: »Aber viele haben das Gefühl, dass es nicht ausgeglichen ist, was jeder zu leisten hat.«

Und deswegen schlägt Simonis eine Reform der Erbschaftssteuer vor. Künftig sollen »die Erben großer Vermögen mehr zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen als bisher«. Dass mit dieser Maßnahme höchstens drei Milliarden Euro mehr im Jahr zu holen seien, musste Simonis einräumen. Zuversichtlich ist sie trotzdem: »Es ist aber ein Signal für das gleiche Heranziehen aller und soll dazu beitragen, dass diese Gesellschaft uns nicht um die Ohren fliegt.« Das allerdings ist das beste Argument gegen die Erbschaftssteuer.

Back to 1968

Cannabis-Urteil. Allmählich wird es spürbar, dass frühere Haschrebellen, oder zumindest ihre Freunde und Bekannten, das Land regieren. Bald werden die Menschen sich wieder an den Händen fassen und Blumen im Haar tragen.

Bis dahin wird zumindest GelegenheitskifferInnen das Autofahren nicht mehr verboten. Das Verwaltungsgericht in Braunschweig entschied in der vergangenen Woche in einem Eilverfahren, dass eine Person, die gelegentlich Cannabis konsumiert, nicht zwangsläufig ungeeignet sein muss, ein Auto zu steuern. Damit gab es einem Kurierfahrer Recht, in dessen Auto zweimal geringe Mengen Haschisch gefunden worden waren.