Wo der Arme König ist

Sozialläden

»Sehen Sie mal hier, das ist die Liste unseres Mindestsortiments.« Die Frau im weißen Kittel deutet auf einen Zettel an der Wand des Kühlregals. »Käse, Wurst, Milch, Butter, Margarine und Joghurt«, steht darauf. Die Preise liegen zwischen 50 Cent und 1,50 Euro. Ziemlich günstig also.

»Es ist ja nicht so, dass wir ausschließlich aus MHD-Waren bestehen«, erklärt die Verkäuferin des Sozialladens in Friedrichshain. Damit meint sie Lebensmittel, die unmittelbar vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum stehen und deshalb nicht mehr zum Normalpreis verkauft werden können. Sie liegen im hinteren Teil des Geschäfts in einem kleinen Regal: Toastbrot, Kekse und andere Süsswaren zu symbolischen Preisen zwischen fünf und zehn Cent.

Zu kaufen gibt es neben nicht mehr ganz frischem Obst und Gemüse für zehn bis 80 Cent auch Tee, Kaffee, Backwaren, Weihnachtsschokoloade und Konserven, mitunter sogar asiatische Soßen und französischen Senf bis 1,50 Euro. Die Auswahl an Kosmetika ist klein, aber immerhin kostet kein Produkt über zwei Euro. Die Damenstrumpfhose für 99 Cent und das »Mobile Work Chest Play Set« für 4,99 Euro, eine Art Miniwerkstatt für Kinder, sind Schnäppchen.

»Es ist sehr preiswert«, findet die Kundin, die mit ihrer Tochter neben zwei prall gefüllten Einkaufstüten auf dem Gehsteig vor dem Sozialladen steht und eine Zigarette raucht. »Wir haben jetzt gerade für schlappe 4,50 Euro eingekauft, und da sind keine schlechten Sachen dabei, Shrimps für zehn Cent zum Beispiel«, berichtet sie. Trotzdem kann sie sich nicht vorstellen, immer hier einzukaufen. Das Angebot sei zwar günstig, aber eben auch begrenzt. Genussmittel wie Zigaretten und Alkohol gebe es gar nicht, die seien verboten.

Seit 1998 betreibt der Sozialverein Friedrichshain e.V. Sozialläden in Köpenick, Mitte, Kreuzberg und Friedrichshain. Sie werden von der »Servicegesellschaft Zukunft im Zentrum« des Arbeitsamts Mitte finanziert. Das Sortiment wird von 165 Herstellern und Großhändlern bezogen, die Lebensmittel kurz vor dem Ende der Haltbarkeit, Waren mit »Schönheitsfehlern« oder überschüssige Produktmengen auf diesem Wege problemlos abgeben können.

Einkaufen dürfen hier Sozialhilfeempfänger, Arbeitslose, Rentner über 75 Jahren, chronisch Kranke und alle, die von der Zahlung der GEZ-Gebühren befreit sind. Nach Vorlage eines entsprechenden Nachweises stellt das Ladenpersonal eine Kundenkarte aus. Über 13 000 Kunden sind mittlerweile registriert, und angesichts der Kürzungen im sozialen Bereich dürfte ihre Zahl weiter steigen. Damit ist wohl die geplante Eigenfinanzierung der Läden langfristig kein Problem.

Die Betroffenen sind auf das Angebot angewiesen. Und es könnten bald noch mehr sein, wenn Politiker auf die Idee kommen sollten, solche Parallelstrukturen für ihre Zwecke zu nutzen. Schließlich ermöglichen sie dem Sozialhilfeempfänger den Verzehr von Luxusartikeln. So schlimm kann es also gar nicht sein, wenig Geld zu haben.

sonja fahrenhorst

Berlins Sozialläden: Gartenstraße 112 in Mitte, Boxhagener Straße 116 und Dolziger Straße 47 in Friedrichshain, Normannenstraße 39 in Lichtenberg, Edisonstraße 18 in Köpenick, Mehringplatz 9 in Kreuzberg.