Der Kasper bleibt uns erhalten

Die Wahlen in Hamburg: absolute Mehrheit für die CDU von jörn schulz

Immerhin, es gibt auch gute Nachrichten. Die FDP ist mit ihrem Projekt 5 gescheitert und muss ebenso draußen bleiben wie Ronald Schills ehemalige und derzeitige Partei. Die SPD erhielt die verdiente Quittung für ihren Rückfall hinter die Sozialreformen Bismarcks und die Anpassung an die rechtspopulistische Agenda Schills. Die absolute Mehrheit der CDU in der Bürgerschaft bürgt jedoch für eine Fortsetzung der Politik der vergangenen zwei Jahre.

Am Ende wählen die Menschen eben doch lieber das Original. Nur ein harter Kern von drei Prozent hielt Schill, dem Idol der kleinbürgerlichen Angstbeißer, die Treue. Den anderen dürfte die Rückkehr in den Schoß der »seriösen« Rechten nicht schwer gefallen sein, denn Schill war letztlich nicht aus dem Rahmen der bürgerlichen Politik ausgebrochen.

Bereits der ehemalige Hamburger Innensenator Helmut Schmidt erklärte 1975 als Bundeskanzler, man müsse »innerlich auch bereit sein, bis an die Grenze dessen zu gehen, was vom Rechtsstaat erlaubt und geboten ist«. Schill war nicht nur innerlich bereit, sondern leidenschaftlich bei der Sache. Als Amtsrichter verhängte er schon bei schlichter Sachbeschädigung die Höchststrafe, doch anders als andere Rechtspopulisten enthielt er sich jeglicher Nazi-Nostalgie und offen rechtsextremer Parolen.

Diese Stärke konnte er jedoch nicht auspielen, weil seine persönlichen Eskapaden für die Handels- und Medienstadt Hamburg geschäftsschädigend wurden. Man habe »ein unwürdiges politisches Kasperletheater erlebt mit zum Teil psychopathischen Zügen«, sagte Beust nach der Entlassung Schills. Jetzt frohlockt Justizsenator Roger Kusch über die CDU-Alleinregierung, denn »in Koalitionen verbringen Sie viel Zeit mit Strippenziehen, Absprachen, Mauscheleien im Hinterzimmer«.

Die meisten Hamburger Wähler schätzen Politiker, die mit einem distinguierten aristokratischen Flair auftreten. Die CDU tat sich lange schwer damit, populärere Kandidaten aufzubieten als etwa den Major a.D. Hartmut Perschau, den nicht nur radikale Linke einen Stahlhelm mit zwei Ohren nannten. Wählerumfragen belegen, dass es tatsächlich »die Person« Ole von Beust war, der die CDU ihren Erfolg verdankt.

Dass der CDU-Wahlsieg keine allgemeine Zustimmung zu einer beschleunigten »Reformpolitik« ist, beweist das Ergebnis des Volksenscheids über die Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK), der gleichzeitig mit der Bürgerschaftswahl stattfand. Knapp 77 Prozent wollen, dass die Stadt die Mehrheitsanteile am LBK behält.

Das traditionelle sozialdemokratische Milieu, das die Hamburger Politik jahrzehntelang prägte, hat sich aufgelöst. Der SPD nützte es auch nichts mehr, dass sie sich gegen die vollständige Privatisierung des LBK aussprach und den Wählern, die gerade ihre Praxisgebühr entrichten mussten, überraschend verkündete: »Gesundheit ist keine Ware.« Man müsse »aufpassen, dass Veränderungen von der Bevölkerung verstanden werden«, riet der nordrhein-westfälische SPD-Chef Harald Schartau nach der Wahlniederlage. Seine Klientel auszuplündern und ihr dann auch noch zu erklären, sie sei nur zu dumm, die höhere Weisheit der Regierungspolitik zu begreifen, dürfte keine Erfolg versprechende Strategie für die in diesem Jahr noch bevorstehenden Wahlen sein.