Schule light

Neuer Schultyp in Berlin

Während sich Politiker den Kopf zermartern, wie aus Schülern wettbewerbsfähigere Arbeitskräfte zu machen seien, wollen die Kinderrechtsgruppe K.R.Ä.T.Z.A., einige Eltern und ehemalige Schüler eine Alternative zum staatlichen Schulsystem, ganz ohne Zensuren und Leistungsdruck: eine Sudbury-Schule nach US-amerikanischem bzw. dänischem Vorbild. Wenn alles gut geht, sollen 15 bis 30 Schüler im August 2004, fast fünf Jahre nach dem Start der Initiative, in Berlin eine solche Schule besuchen.

An Sudbury-Schulen gibt es weder einen Lehrplan noch Lehrer, das Lernen gestalten die vier- bis 19jährigen Schüler selbstständig nach ihren Interessen. Aufgabe der Schule ist es lediglich, Bücher, Computer, Werkstätten und ein Außengelände bereitzustellen. »Ältere Jugendliche verbringen viel Zeit, sich miteinander zu unterhalten, und lernen so voneinander«, sagt Martin Wilke, ein Mitglied der Gründungsinitiative. Deshalb hätten die Schüler »sehr persönliche Beziehungen zueinander«. Auf Lehrer wird verzichtet, da die Befürworter des Schultyps davon ausgehen, dass Kinder aus eigenem Antrieb lernen. So wird Unterricht ausschließlich auf Verlangen der Schüler erteilt.

Über Angelegenheiten von allgemeinem Interesse wird in der Schulversammlung entschieden. Hier haben sowohl Schüler als auch die erwachsenen Mitarbeiter je eine Stimme. Antiautoritär ist die Schule aber im üblichen Sinne nicht, denn die gemeinsam beschlossenen Regeln und Grundsätze sind verpflichtend und bestimmen das Zusammenleben. Regelverletzungen wie Lärmbelästigung oder das Abhalten vom Lernen werden von einem Justizkomitee geahndet, das nach einer Gerichtsverhandlung auch Strafen wie Tellerwaschen aussprechen kann.

Im Gegensatz zu der weit bekannten Summerhill-Schule sind die Sudbury-Schulen keine Internate, sondern Halbtagsschulen. Außerdem wird über die Verwendung der Geldmittel und die Einstellung von Mitarbeitern gemeinsam in der Schulversammlung entschieden. An der Summerhill-Schule bestimmt die Schulleitung darüber allein. Ansonsten weisen die beiden Schultypen viele Gemeinsamkeiten auf.

»Im jetzigen Schulsystem wird davon ausgegangen, dass Kinder nicht von alleine lernen würden und man sie deshalb dazu zwingen müsse. Dies bedeutet Unfreiheit, und es gibt eine ganze Reihe von Kindern, die darunter leiden«, kritisiert Wilke, der auch in der Gruppe K.R.Ä.T.Z.A. aktiv ist. »Die ganze Energie und Freude, die Kinder zu Beginn haben, büßen sie in der Schule ein.«

Ob tatsächlich eine Sudbury-Schule in Berlin gegründet werden kann, hängt vor allem von der Genehmigung der Schulbehörde ab, die bislang nicht allzu viel Interesse zeigte, wie Wilke sagt. Deshalb ist auch Brandenburg als Standort im Gespräch. Die Behörden dort seien einem solchem Projekt gegenüber aufgeschlossener.

Fest steht, dass die neue Schule eine Privatschule sein wird. Über die Höhe der Beiträge, die ausschließlich zur Deckung der Unkosten eingesetzt werden sollen, ist noch nicht entschieden. Aber auch wenn über eine Staffelung der Beiträge je nach Lebenssituation nachgedacht wird, werden »realistisch betrachtet, sich Sozialhilfeempfänger die Schule nicht leisten können«.

jan schapira

Weitere Infos: www.sudbury.de