Keinen Stress

Buch über die Faulheit

Viel Weißraum, große Überschriften und nicht einmal 200 Seiten: Das Buch, das eine Enzyklopädie, also eine umfassende Darstellung des gesamten vorliegenden Wissensstoffs zum Thema Faulheit, sein will, macht dem Müßiggang alle Ehre. Auch wenn selten ausschweifend in Wolfgang Schneiders »Enzyklopädie der Faulheit« berichtet wird, bietet der Band dennoch allerlei Kurioses zum Thema Kontemplation.

Die Gedanken großer Denker aus zwei Jahrtausenden hat Schneider in seinem Buch versammelt, wobei er offensichtsichtlich zu faul war, auch die Weisheiten großer Denkerinnen aufzustöbern. Die Sätze sind zuweilen drastisch: »Unser Leben ist der Mord durch Arbeit, wir hängen sechzig Jahre lang am Strick und zappeln, aber wir werden uns losschneiden« (Georg Büchner). Und manchmal schlicht: »Narren hasten, Kluge warten, Weise gehen in den Garten« (Rabindranath Tagore). Den Zitatenschatz und die Texte würzt er mit historischen Exkursen und amüsanten Fakten, etwa über die Schildkröte, die im Barock wegen ihres mäßig betriebsamen Wesens ein beliebtes Wappentier war.

Das Buch hat nichts zu tun mit Ratgeberprosa, die mit Titeln aufwartete wie: »Die Kunst mühelos zu leben« oder »Lass dir Zeit«. Es hat auch nichts gemein mit den analytischen Texten einer Hannah Arendt oder dem »Manifest gegen die Arbeit« der Gruppe Krisis. Es geht nicht um eine Kritik der Arbeit in kapitalistischen Gesellschaften, um die pure Verausgabung von Arbeitskraft als abstraktes Prinzip und als Selbstzweck, das die sozialen Beziehungen durchströmt.

Nein, das Buch plätschert vielmehr gemütlich vor sich hin, hier ein Sprichwort über das süße Nichtstun, da ein Kupferstich einer Schnecke und dort ein Grabspruch auf faule Leute. Es will angesichts moderner Geschäftigkeit an den Sinn und Nutzen der Faulheit erinnern, die sich freilich von Langeweile und bloßem Amüsement unterscheidet.

Schon der alte Salomo, König von Israel und Juda, sprach: »Wer seine Tätigkeit einschränkt, erlangt Weisheit.« Und auch im Griechenland vor der christlichen Zeitrechnung wurde zu einem Lobgesang auf die Faulheit angehoben. Der kluge Diogenes, der in einem Fass wohnte, ist keineswegs eine Art antiker Punker gewesen, der sich demonstrativ gegen die Normen seiner Gesellschaft abzusetzen trachtete. In seiner Haltung, wenn auch nicht unbedingt in seinem Lebensstil, entsprach er der damaligen Vorstellung, der Müßiggang sei des Lebens Zweck. »Muße ist der schönste Besitz von allen«, pflegte Sokrates zu sagen.

Große Faulpelze waren auch Charlie Chaplin und George Gershwin. Man erfährt, dass Albert Einstein im Schnitt 12 Stunden schlief und in seiner Jugend »Pater Langweil« genannt wurde. Man liest von den Glücklichen Arbeitslosen und der Slow City Bewegung. Und man hört, dass die angeblich so fleißige Biene gerade einmal zwanzig Prozent ihrer Lebenszeit mit Arbeit verbringt. Auch von der Brieftaube Billy wird berichtet, der ein Überseeflug von Frankreich in die USA gelang. Allerdings haben Fachleute herausgefunden, dass sich der faule Vogel auf einem Schiff niederließ und so den weiten Weg zurücklegte. Das Buch bietet anregende Lektüre für alle Taugenichtse. Man sollte es sich vielleicht nicht unbedingt selbst kaufen, wohl aber schenken lassen.

anke schwarzer

Wolfgang Schneider: Enzyklopädie der Faulheit. Eichborn, Berlin 2003, 190 S., 24,90 Euro