After Work Party

Politische Kultur

Auch unsere täglich bis zur Erschöpfung reformierenden Regierenden sind Menschen, die mal eine Pause brauchen, nachdem sie von früh bis spät Sozialkürzungen und Renteneinschnitte beschließen mussten. Auch Gerhard, Joschka und Co. suchen mal Entspannung und wollen nach dem brettharten Politalltagsquatsch und nervenzehrenden Reformgeschiebe am wohlverdienten Feierabend mal Fünfe grade sein lassen und einen heben, bis der Arzt kommt. Wie jeder Sozialhilfeempfänger auch.

Und wo könnte man besser abhotten als in der Szenehauptstadt Berlin? Tja, Bonn war öde, so viel weiß man heute. Berlin hingegen brummt gewaltig.

Erst neulich sah man den meist etwas streng wirkenden Münte angeblich zu vorgerückter Stunde in Mitte so was von auf den Busch klopfen, dass es rappelte. Nachdem er zunächst an der Theke eines stadtbekannten Szeneschuppens feixend mit Benni, seinem neuen Vereinsmeier, Rummikub mit und ohne Anfassen gespielt hatte, kommentierte er sichtlich gut gelaunt die zahlreichen Parteiaustritte, die ihm »so was von scheißegal« seien, »das können Sie sich gar nicht vorstellen«. »Hauptsache, ich bin jetzt der Chef«, rief er wiederholt aus und wirkte dabei ziemlich aus dem Häuschen.

Er soll, wie es hieß, unterm Einfluss verschiedener legaler Drogen wie Prickelwasser, Filterzigaretten und Erdnussflips gestanden haben und pumperlmunter und aufgekratzt, wenn nicht gar rasend wie ein Derwisch, auf der Tanzfläche bei gehörigem Breakbeatgewummere so ausgelassen getanzt haben, wie man es dem spröden Sozialdemokraten gar nicht zugetraut hätte.

Auch die fidelen Girls vom Koalitionspartner lassen sich im Hinblick auf standesgemäßes Saturday Night Fever offenbar nicht lumpen. Die olle Katrin und die Krista sollen am selben Abend dabei gesehen worden sein, wie sie Cocktails schlürfend und verschwörerisch miteinander tuschelnd wie zwei Schulmädchen das Treppchen zu einer schwer verrufenen Kellerbar hinabgestolpert sind, in der die tägliche After Work Party der grünen Bundestagsabgeordneten schon die ersten Schnapsleichen gefordert hatte. Dort sollen sie mit der lauthals verkündeten Absicht, »heute nacht den Reformstau ein bisschen aufzulösen«, zackig und geschwind einen nach dem anderen gezwitschert haben. Hernach sollen sie gehörig einen sitzen gehabt haben und sich irre kichernd die neuesten Arbeitslosenwitze erzählt haben, wie aus gut informierten Kreisen verlautete.

Eigentlich hatte sich zum »Mitternachtsfrühstück«, wie er das angeblich nennt, noch der dicke Reinhard angekündigt, der vollmundig versprochen hatte, ein halbes Pfund seiner Lieblingsdroge mitzubringen. Tags darauf hieß es jedoch, er sei dann doch nicht da gewesen. Er habe es an dem besagten Abend vorgezogen, nach mehreren allein eingenommenen Mitternachtsfrühstücken zu Hause zu bleiben und sich mit einem seiner selbstgemachten Tablettencocktails »einmal gewaltig die Gehirnwurst durchzupusten«, erklärte er später. Er habe sich dann über einen längeren Zeitraum nicht mehr daran erinnern können, wer er sei, »und dann macht es ja auch keinen richtigen Spaß auszugehen«. Überdies sei er »ja eh mehr der Cocooning-Typ. Und außerdem gehen ja heute die Parteiaufgaben wieder los. Gleich nach dem dritten Frühstück.« Ja, auch zu Hause feiern kann schön sein.

thomas blum