Befreiung!

Die Befreiung des Irak von der ba’athistischen Terrorherrschaft war ein Erfolg. von thomas schmidinger

Als es vor etwas mehr als einem Jahr ernst zu werden schien mit dem militärischen Sturz der ba’athistischen Terrorherrschaft, war auch ich unsicher, wie denn nun die Gretchenfrage nach dem Krieg zu beantworten sei. Weder George W. Bush noch Tony Blair fragten nach meiner Meinung. So konnte ich weiterhin in der Ambivalenz zwischen der notwendigen Beseitigung eines faschistischen Regimes und der Unsicherheit, wie viele Tote dieser Krieg bringen würde, und ob nach dem erfolgten Sturz Saddam Husseins tatsächlich die demokratische Opposition die Macht übernehmen könnte, oder die USA doch eher auf einen Ba’athismus ohne Saddam setzen würden, die Ereignisse im Irak beobachten.

Bald nachdem in Bagdad unter dem Jubel der Bevölkerung die Statuen Saddams gefallen waren, stellte sich heraus, dass der Krieg kaum mehr Tote gefordert hatte, als der ganz normale Ba’athismus in einigen Monaten »produzierte«, Saddam doch nicht in letzter Minute die eigene Bevölkerung mit Giftgas bestrafte und die US-Administration den Diktator nicht einfach gegen einen anderen austauschte. Tatsächlich wurde der Sturz des Ba’ath-Regimes außer von seinen Günstlingen von allen IrakerInnen als Befreiung begrüßt. Selbst jene, die sich wie die Kommunistische Partei oder die ArbeiterkommunistInnen gegen einen Krieg ausgesprochen hatten, begrüßten den Sturz des ba’athistischen Ölrentenfaschismus.

Dass die Befreier sich seither als Besatzungstruppen im Land befinden, ändert nichts daran, dass sie den Irak von einem der grausamsten Terroregime des 20. Jahrunderts befreit haben. Unter den politischen Parteien des Irak ist lediglich die Frage umstritten, wie lange die Besatzungstruppen im Land bleiben sollen. Während KurdInnen und Liberale eine längere Anwesenheit der US-Truppen als Garantie für die Entwicklung eines demokratischen föderalistischen Staates sehen, wollen die schiitischen Parteien und die KommunistInnen einen rascheren Abzug.

Der Irak ist bisher nicht in den von der europäischen Friedensbewegung, den deutschen Medien und Politikern herbeigeredeten Bürgerkrieg geschlittert. Selbst die blutigsten Anschläge auf kurdische und schiitische ZivilistInnen haben es bislang nicht geschafft, das Land in einen blutigen ethnischen Konflikt zu stürzen. Das Problem des Irak hat einen anderen Namen. Es heißt Terrorismus. Der Terror der Reste der Ba’ath-Partei und radikaler islamistischer Gruppen wie al-Qaida oder Ansar al-Islam findet zwar die Unterstützung einiger arabischer Nachbarstaaten, nicht jedoch der irakischen Bevölkerung. Sogar die Selbstmordattentäter müssen mittlerweile importiert werden. Immer wieder werden Jemeniten, Saudi-Araber und Palästinenser festgenommen, die zwecks Märtyrertod und Massenmord in den Irak eingeschleust wurden. Haben sich die irakischen Sicherheitskräfte einmal etabliert und sind die Grenzen nach Saudi-Arabien und Syrien nicht mehr ungehindert passierbar, werden auch sie abgefangen werden können.

Die Fortschritte bei der Demokratisierung zeigten sich bereits in der überraschend repräsentativen Zusammensetzung des Regierungsrates aus Mitgliedern aller wichtigen Parteien des Landes. Seither arbeiten die kurdischen Parteien mit KommunistInnen, AssyrerInnen, TurkmenInnen, gemäßigten IslamistInnen und NationalistInnen in einem Gremium zusammen. Über Jahrzehnte eingefrorene politische Konflikte werden dadurch erst austragbar. Dass es in den letzten Monaten auch zu Demonstrationen von Arbeitslosen gekommen ist, zeigt, wie rasch auch diese Formen demokratischer Partizipation nach mehr als einer Generation ba’athistischer Herrschaft erlernt werden. Dass die Proteste der Frauen gegen die Einführung der Sharia auch Erfolg hatten, macht deutlich, welche Relevanz diese zivilen Proteste haben können.

Geradezu sensationell ist dabei die Übergangsverfassung, die nicht nur eine Mehrparteiendemokratie, die Gleichstellung der kurdischen und der arabischen Sprache und den Föderalismus festschreibt, sondern auch eine 25prozentige Quote für Frauen in öffentlichen Ämtern vorsieht. Das ist selbst in den meisten europäischen Verfassungen nicht zu finden. Der Islam ist in der Übergangsverfassung nur als eine, nicht aber als die einzige Quelle der Gesetzgebung beschrieben. Diese Verfassung ist nichts anderes als ein Kompromiss. Dass er überhaupt aushandelbar war, gibt Anlass zur Hoffnung.

Thomas Schmidinger ist Politikwissenschaftler in Wien und Mitarbeiter von Wadi e.V. Bei Peter Lang ist gerade sein Buch über die ArbeiterInnenbewegung im Sudan erschienen