Madrid wirkt

In Portugal wächst die Angst vor terroristischen Anschlägen während der Fußball-EM. von christiane hellermann, lissabon

Die iberische Halbinsel ist in Aufruhr. Die Bombenattentate in Madrid und der Machtwechsel wenige Tage später wirken sich auch auf das Nachbarland aus. Portugal steht unter innen- und sicherheitspolitischer Anspannung, gerade im Hinblick auf die Fußballeuropameisterschaft im Juni und Juli.

»Spanien ist unser engster, die USA sind unser stärkster Verbündeter, und mit Großbritannien sind wir historisch liiert«, diese Worte des portugiesischen Premierministers José Manuel Durão Barroso vom Februar 2003 gehören mittlerweile der Vergangenheit an. Der Machtwechsel in Spanien ist ein Tiefschlag für die Regierung. Mit der Überschrift »Durão Barroso hat seinen spanischen Freund verloren« bringt die Tageszeitung O Público die aktuelle politische Lage in Portugal auf den Punkt.

Durão Barroso und sein spanischer Kollege José Maria Aznar bekundeten in den letzten Jahren so oft wie möglich ihre gute Zusammenarbeit und demonstrierten sie zum Beispiel durch gegenseitige Unterstützung in den jeweiligen nationalen Wahlkampagnen. Noch kurz vor der spanischen Wahl wiederholte Durão Barroso, dass er dem vermeintlichen Nachfolger Aznars, Mariano Rajoy, und dessen zukünftiger Regierung treu zur Seite stehen werde. Auf einen Machtwechsel im einzigen Nachbarland war die portugiesische Regierung nicht vorbereitet.

Seit den Wahlen in Spanien kritisieren die portugiesischen Oppositionspartei Partido Socialista (PS) und der »Linksblock« Bloco de Esquerda (BE) verstärkt die politische Linie der konservativen Regierungspartei Partido Social Democrata (PSD). Während Jorge Coelho von der PS der Regierung ein »totales Scheitern« bescheinigt, machen sich jedoch die meisten Vorwürfe direkt an der Person Durão Barrosos fest, dem der Verlust jeglicher Glaubwürdigkeit nachgesagt wird. Aus diesen Gründen – so die Opposition – stehe ihm, und mit ihm der gesamten PSD, das Schicksal der spanischen Partido Popular bevor, nämlich die Abwahl. Darüber hinaus warnt die Opposition auch vor den für Portugal nachteiligen Folgen zukünftiger Uneinigkeiten zwischen der portugiesischen und der spanischen Regierung – nicht unbegründet, ist Spanien doch der wichtigste und einflussreichste Partner Portugals in Politik und Wirtschaft.

Zu starken Spannungen mit der neuen spanischen Regierung werde nach Ansicht des Linksblockes insbesondere eine fortgesetzte Präsenz portugiesischer Soldaten im Irak führen, an der die Regierung bisher festhält. Hiermit greift die Opposition ein Thema auf, das vergangene Jahr zu vehementen Auseinandersetzungen und großer Uneinigkeit zwischen den Parteien ebenso wie unter der Bevölkerung geführt hat: Portugals Rolle im Irak-Konflikt. Auch in dieser Hinsicht ruft der Wegfall des spanischen Partners in Portugal starke Reaktionen hervor. Zu präsent ist die Erinnerung an die Zeit, als Durão Barroso Seite an Seite mit Bush, Blair und Aznar in den internationalen Medien erschien und den Kampf gegen die »Achse des Bösen« forderte. Portugals Regierung unterstützte im Irak-Konflikt aktiv die Position der USA und entsandte ebenfalls Truppen in den Irak. Nachdem José Luís Rodriguez Zapatero, der Gewinner der spanischen Wahlen, einen baldigen Rückzug der spanischen Soldaten aus dem Irak angekündigt hatte, versicherte der portugiesische Staatspräsident Jorge Sampaio am 16. März, dass für Portugal keine Gründe vorlägen, seine Truppen ebenfalls aus dem Irak abzuziehen.

Die politische Spannung in Portugal mischt sich mit der wachsenden Furcht, das Land könne, auch wegen seiner Rolle im Irak-Konflikt, zum Ziel terroristischer Anschläge werden. Dieses Jahr finden einige Großereignisse statt, die Besucher aus aller Welt anziehen werden. Die sogenannte Nelkenrevolution, die Portugals Weg in die Demokratie öffnete, feiert am 25. April 2004 ihren 30. Jahrestag. International aber wesentlich stärker wahrgenommen wird die Fußballeuropameisterschaft, zu der im Juni und Juli mit über einer Million Touristen gerechnet wird.

Themen der nationalen Sicherheit beherrschen daher seit den Anschlägen in Madrid die portugiesischen Medien. Zwar kümmern sich die Veranstalter der Fußball-EM schon lange um die notwendigen Maßnahmen zur Gewährung der öffentlichen Sicherheit, jedoch bezogen sich diese bisher vor allem auf den Umgang mit gewaltbereiten Hooligans. Kaum jemand glaubte bis vor kurzem, dass Portugal zum Ziel internationaler Terroranschläge werden könne. Das hat sich nun schlagartig nach den Attentaten im Nachbarland geändert.

Unbehagen kam in der Bevölkerung auf, als die Boulevardzeitung Correio de Manhã bekannt gab, am Tag nach den Attentaten in Madrid zwei Telefonate mit Warnungen vor weiteren Anschlägen, diesmal in Portugal, erhalten zu haben, die noch vor der Fußballeuropameisterschaft geplant seien. Die Anrufer hätten sich als Anhänger Ussama bin Ladens und Mitglieder von al-Qaida zu erkennen gegeben und behauptet, zwei der Madrider Attentäter hielten sich in Portugal auf. Von der Regierung wurden noch am selben Tag diese bei dem Boulevardblatt eingegangenen Telefonanrufe als unglaubwürdig bezeichnet. Allerdings gab Vizepremierminister José Luís Arnaut zu, dass Portugal Terrordrohungen erhalten habe. Die Regierung sei sich ihrer Verantwortung für die Sicherheit des Landes vollauf bewusst und handle dementsprechend, ohne dass dies immer in den Medien diskutiert werden müsse, bemerkte Arnaut.

Am 17. März erklärte Innenminister António Figueiredo Lopes, dass Portugal die Sicherheitskontrollen an Flughäfen und Bahnhöfen verstärke und während der EM und anderer Großveranstaltungen in diesem Jahr seine Grenze zu Spanien trotz des Schengener Abkommens selber kontrollieren werde. Die Armee wird die Sicherheitskräfte während der Fußballeuropameisterschaft unterstützen; logistische Hilfe sowie die Bereitstellung von Hubschraubern seien schon seit Oktober 2003 geplant, berichtet O Público. Zusätzlich soll nun der nationale Luftraum mit Hilfe von Jagdflugzeugen des Typs F-16 überwacht werden. Frühere Andeutungen des Verteidigungsministers Paulo Portas, dass Portugal außerdem die Nato um Unterstützung während dieses Zeitraums bitten werde, bestätigten sich Ende März. Awacs-Radarflugzeuge, die in der deutschen Nato-Air-Base Geilenkirchen stationiert sind, sollen helfen, den nationalen Luftraum abzusichern. »Mitglied der Nato zu sein, bedeutet genau das: geben und empfangen«, glaubt Durão Barroso.

Bei aller Unruhe derzeit gebe es aber keinerlei konkrete Hinweise auf eine wirkliche Bedrohung Portugals, versichert Staatspräsident Sampaio bei jeder Gelegenheit. In seinen Ansprachen an die Bevölkerung im März betonte er die Notwendigkeit, gemeinsam gegen den Terrorismus vorzugehen, und erklärte, dass Furchtlosigkeit und Vertrauen auf die demokratischen Kräfte die besten Mittel seien, den neuen Bedrohungen zu begegnen.