Ball und Balla

Mehr Sport gegen Arbeitslosigkeit von martin krauss

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft lud in der vergangenen Woche den früheren Fußballprofi Oliver Bierhoff in die Berliner Humboldt-Universität ein, damit er eine Vorlesung darüber halte, »was die Gesellschaft vom Sport lernen kann«.

Nun kann man dazu einiges sagen, etwa dass im Sport Disziplin und Gehorsam eingeübt werden, weil schon in der Kindheit klar wird, dass über Schiedsrichterentscheidungen nicht diskutiert wird. Man könnte auch darauf verweisen, wie sich im Sport gesellschaftliche Entwicklungen früh zeigen und er deswegen ein großes soziologisches Potenzial besitzt.

Viel kompetenter haben sich aber »Arbeitsmarkt-Experten« eines »Expertenkreises Memorandum-Forum«, wie sie von Bild vorgestellt wurden, zu Wort gemeldet: Arbeitslose sollen regelmäßig an Sportprogrammen teilnehmen, denn gerade bei Langzeitarbeitslosen könne Sport die Leistungsbereitschaft verbessern und das Selbstwertgefühl stärken. Handlungsbedarf sei angezeigt, weil überdies jeder dritte Arbeitslose mit gesundheitlichen Einschränkungen zu kämpfen habe.

Der Vorschlag ist originell und in Anbetracht des Niveaus, auf dem hierzulande gegenwärtig über die Bekämpfung von Massenarbeitslosigkeit diskutiert wird, hat er alle Chancen, demnächst in »Hartz IX« gegossen und »Eins zu Eins umgesetzt« zu werden, bis sogar sozialdemokratische Sozialpolitiker bemerken, dass er »nicht greift«.

Nähme man den Sport und die Wissenschaft, die sich mit ihm beschäftigt, ernst, könnte man wissen, dass die Verbindung von Sport und Gesundheit eine bloß ideologische ist. Das lässt sich empirisch im Warteraum jedes Krankenhauses jedes Wintersportorts nachweisen, und das liegt auch theoretisch auf der Hand. Sport orientiert sich an der Bestleistung, und die ist nur zu erreichen, wenn man an seine körperlichen Grenzen geht, ja, versucht, diese weiter zu verschieben.

Dass Sport die Leistungsbereitschaft verbessern kann und der Staat sich disziplinierte und zu allem bereite Arbeitslose wünscht,

ist ja wohl so. Aber dass mit den vorgeschlagenen Zwangsprogrammen die Arbeitslosigkeit bekämpft wird, kann nicht einmal der »Expertenkreis Memorandum-Forum« glauben.

Er tut es aber, weil er sich auf Berater wie Oliver Bierhoff stützen muss. »Ein Land wie Deutschland mit seinen Ansprüchen an den eigenen Wohlstand kann sich ein verqueres Verhältnis zum Wettbewerb nicht leisten«, sagt eben jener Experte Bierhoff, ein diplomierter Betriebswirt. »Die Politik ist endlich gefordert, ein flüssigeres Spiel entstehen zu lassen.« Die Lockerung des Kündigungsschutzes und eine flexible Entlohnung fordert Bierhoff, 1996 der Schütze des Golden Goal, das Deutschland zum Fußballeuropameister machte, gleich mit.

Das sind alte Töne der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, aber neue Töne für einen Fußballprofi. Bei Leuten diesen Berufs ist es nämlich immer noch meist so, dass sie Verwandte, Freunde und alte Kumpel haben, die ihnen verraten: Ein gelockerter Kündigungsschutz steht für erleichterten Rausschmiss.

Bierhoff hingegen war, was seine soziale Herkunft anlangt, kein typischer Profi. Sein Vater gehört zum Vorstand des Stromkonzerns RWE, und so ist es vielleicht kein Zufall, dass die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, wenn sie etwas über den Sport wissen will, einen wie Oliver Bierhoff fragt.

Es ist aber auch kein Zufall, und das ist doch beruhigend, dass bei solchen Experten die lustige Idee entsteht, durch die Zwangsteilnahme an Sportprogrammen könne man Arbeitslose disziplinieren und Arbeitslosigkeit abbauen.