Aus dem Reich des IQ

Der Humangenetiker Volkmar Weiss will intelligente weiße Menschen züchten. von andreas speit

Sicher glauben die meisten Politiker, dass sie die Welt bewegen.« Ein Irrglaube, wie der literarische Protagonist Herbert in Volkmar Weiss’ Sciencefictionroman »Der Clan aus Geld und Genen. Ein erster Bericht aus dem Reich Artam« weiß. Denn allein die »Naturwissenschaftler und Erfinder«, erklärt der junge Humangenetiker, »veränderten nachhaltig die Welt«.

In dem im vergangenen Jahr erschienenen utopischen Roman versucht eine Gruppe Forscher, mittels »allgemeiner Theorien der Hauptgene« die »Evolution zu beschleunigen« und den »Menschen mit dem IQ (Intelligenzquotienten) 200 zu schaffen«, um zu verhindern, dass die Menschheit »in den sozialen Kämpfen der Geschichte untergeht«. Dass die »Frage der Vererbung psychischer und insbesondere intellektueller Eigenschaften die brisanteste ist«, beschäftigt den Protagonisten weniger als die Frage, ob man »den anderen das Lebensrecht« absprechen dürfe. »Es geschieht, was geschehen muss.« Mit diesen Worten räumt der ältere Leiter der Forschungsgruppe die Bedenken des jungen Forschers aus, der sich nun daran erinnert, was er gelernt hat: »Die naturwissenschaftlichen Tatsachen und Einsichten haben wir auf unserer Seite. Die anderen haben stattdessen Phantome und Utopien.« Oder auch: »Die Linksaußen wissen, wer ihr konsequentester Gegner ist. Weil wir eben nachweisen, dass die Menschen ungleich sind. Und was biologisch ungleich ist, ist eben zwangsläufig auch sozial ungleich.«

Mittels seiner Fiktion bringt der Humangenetiker Weiss seine akademischen Thesen und politischen Positionen unter die Leute. Bereits seit Ende der sechziger Jahre setzt sich der heutige Leiter der Deutschen Zentralstelle für Genealogie in Leipzig mit den genetischen Grundlagen der Intelligenz auseinander, die er Individuen wie auch Kollektiven zuspricht. Mehr als 150 Arbeiten will Weiss, dessen wissenschaftliche Karriere in der DDR nach seiner Dissertation über die Vererbung mathematisch-technischer Hochbegabung von staatlichen Institutionen behindert wurde, nach eigenem Bekunden zur Genetik der Intelligenz und zur Genealogie verfasst haben. Doch all die Studien des umtriebigen Forschers verfolgen nur eine Intention: den Beweis zu erbringen, dass Intelligenz biochemische Grundlagen hat.

»Wo es Hauptgene gibt, gibt es auch einen zugrunde liegenden biochemischen Code«, argumentiert Weiss. Nicht nur, dass er seine These aus dem Bereich der Soziobiologie gleich als Tatsache postuliert, wie bei Intelligenzforschern so üblich; er zieht aus der vermeintlichen Tatsache auch sogleich wieder Schlüsse. So bringt er in seinen Studien immer wieder die zuvor erhobenen »Daten« der Probanden, beispielsweise Intelligenzquotient, Genotyp und Beruf, mit denen ihrer Familienmitglieder in Verbindung, um die Erblichkeit von Intelligenz zu belegen.

»Nehmen wir an, dass die Spitzen-IQ-Berufsgruppen homozygot wären, also Genotyp M1M1, die ungelernten Arbeiter wären M2M2, die mit einem IQ-Mittel um 110 wären M1M2.« Da mit einer Fehlklassifizierung gerechnet werden müsse, könnten Ehen von zwei Genotypen M1M1 dennoch neue Genotypen mit einen Mindest-IQ von 119 garantieren. Denn die »Mittelwerte der kumulierten Prozente korrespondieren mit den folgenden durchschnittlichen IQ: M2M2 IQ 94; M1M2 IQ 112; M1M1 IQ 130.« Aus der Hypothese wird durch eine solche statistisch-methodische Operation ein Faktum.

Tatsächlich fand Weiss nur, was er suchte. Da er permanent vermeintliche Fakten in Beziehung setzt, erweckt er den Eindruck, als habe man es mit Ursache und Wirkung zu tun. Einen Beweis erbringt er jedoch nicht. Brächte er andere Daten, etwa über die soziale Situation, Bildung oder Ernährung der Probanden, mit ihren Intelligenzquotienten in Verbindung, so wären ganz andere Interpretationen möglich. Seine methodischen Schwächen halten Weiss jedoch nicht davon ab zu behaupten, dass Intelligenz mindestens zu 80 Prozent erblich sei.

Nach dieser Logik diskutiert Weiss auch die Intelligenz von »Negern«, »Zigeunern«, Türken und Frauen. »Zweifellos sind die Unterschiede zwischen Einzelpersonen viel größer als die Unterschiede zwischen Gruppen«, räumt Weiss zwar ein. Aber in der »Masse« sei »der Neger«, »der Türke« und »der Zigeuner« nun mal dümmer als »der Weiße«. Doch insbesondere die »jungen Umwerter, die 1968 Studenten waren«, würden heute die »Terminologie zur Intelligenz« bestimmen und dadurch notwendige Kurskorrekturen in der Bildungs-, Familien- und Einwanderungspolitik verhindern. In Deutschland gehe deshalb auch eine immer größere Gefahr von den »ungebildeten Türken« und den »gebildeten Frauen« aus. Denn, so führt Weiss in der populärwissenschaftlichen Publikation »Die IQ-Falle. Intelligenz, Sozialstruktur und Politik« aus, die Pisa-Studie offenbare, dass eine türkische »Unterklasse mit geringem mittleren IQ« entstehe, während zugleich eine deutsche Elite mit hohem IQ verschwinde. Denn während die Ungebildeten mehr und mehr Kinder bekämen, zeugten die Gebildeten kaum noch welche.

Die Auffassung, es sei völlig gleich, wer die Kinder bekomme, beruhe auf der Annahme, dass es keine Gene gebe, die die Intelligenz und das Sozialverhalten bestimmen, wiederholt Weiss warnend. Er fordert daher, dass deutsche Frauen mit einem hohen IQ mit staatlichen Anreizen dazu gebracht werden sollen, Kinder in die Welt zu setzen, während ausländische Frauen, unabhängig von ihrem IQ, keine staatliche Unterstützung für »weitere Kinder« erhalten sollen.

Unlängst präsentierte der staatlich besoldete Forscher seine »wissenschaftlichen« Ergebnisse und politischen Vorstellungen bei der extremen Rechten. Freudig dürften die Gäste einer Tagung der altrechten Gesellschaft für freie Publizistik seine Forderungen gehört und die Leser der neurechten Jungen Freiheit sie gelesen haben. Über die »Pisa-Studie und ihre Folgen« sprach Weiss auch Anfang März im Haus der Burschenschaft Normannia-Nibelungen zu Bielefeld. Nach anfänglichen Protesten von Gegendemonstranten konnten Burschenschaftler und Neonazis ganz ungestört Weiss’ Traum von der Aufzucht der Intelligenz lauschen.

Die Gegendarstellung zu diesem Artikel lesen Sie hier.