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Routinemäßige Behandlung

Irak. »Tief empört« gab sich US-Präsident George W. Bush, und der britische Premierminister Tony Blair ließ einen Sprecher sein »Entsetzen« verkünden. Arabische und westliche Medien hatten in der vergangenen Woche Fotos von der Folterung irakischer Gefangener durch US-amerikanische und britische Soldaten veröffentlicht. Konfrontiert mit den Beweisen, zogen sich beide Regierungen auf die in solchen Fällen übliche Verteidigungslinie zurück. Es handele sich um Einzelfälle, die Vorwürfe würden untersucht und die Täter gegebenenfalls bestraft.

Nach Angaben von amnesty international handelt es sich »nicht um einen isolierten Vorfall«, ehemalige Gefangene hätten bereits im vergangenen Jahr berichtet, »routinemäßig grausamer, inhumaner oder demütigender Behandlung« unterworfen worden zu sein. »Die Probleme im Gefängnissystem der Armee im Irak blieben den höheren Kommandanten nicht verborgen«, stellt Seymour M. Hersh im US-Magazin The New Yorker fest. Ein im Februar verfasster geheimer Untersuchungsbericht des Militärs bestätige, dass »die Armeebestimmungen und die Genfer Konvention routinemäßig verletzt wurden«. Die Beschaffung von Informationen, »auch durch Einschüchterung und Folter, war die Priorität«.

Kein Mitleid mit Assad

Syrien. »Die logische Analyse deutet darauf hin, dass Extremisten für den Angriff verantwortlich sind«, urteilt die Regierungszeitung al-Ba’ath über die Schießerei, bei der am Dienstag der vergangenen Woche in der Hauptstadt Damaskus zwei mutmaßliche Terroristen, ein Polizist und eine Lehrerin getötet wurden. Ein früher von der Uno benutztes Gebäude wurde bei einer Explosion beschädigt. »Sehr verdächtig« fand das der US-Kongressabgeordnete Eliot Engel. »Es ist wahrscheinlich, dass Bashar al-Assad einen Angriff der al-Qaida inszeniert hat, um das Mitgefühl und die Dankbarkeit der internationalen Gemeinschaft zu gewinnen.« Das Weiße Haus bleibt jedoch mitleidlos, »schon bald« könnten wegen der Unterstützung des Terrorismus und der Produktion von Massenvernichtungswaffen Sanktionen verhängt werden, sagte Regierungssprecher Scott McClellan.

Für Präsident Assad bedeutet der Anschlag eine weitere Schwächung seiner bereits durch den kurdischen Aufstand im April in Frage gestellten Autorität. Mit großer Brutalität hatte das Ba’ath-Regime in den achtziger Jahren einen islamistischen Aufstand niedergekämpft. Seit einigen Jahren werden jedoch »gemäßigte« Islamisten hofiert, in den Moscheen wird der Jihad gepredigt. Nach den Vorstellungen des Regimes soll er im Irak und in Palästina geführt werden, aber die syrischen Islamisten könnten sich die Parole, regime change begins at home, zu Eigen gemacht haben.

Kultur des Lebens

USA. »Wenn die Regierung einer Frau eine sichere, legale und saubere Abtreibung vorenthält, in dem Bewusstsein, dass diese Frau trotzdem eine Abtreibung haben wird, wenn sie sie braucht – dann ruft sie damit Frauen zum Selbstmord auf«, sagte die Schauspielerin Whoopi Goldberg auf einer Großdemonstration für das Abtreibungsrecht. Zu der Demonstration in Washington am vorletzten Sonntag, an der mehr als eine Million Menschen teilnahm, waren Frauenorganisationen aus über 60 Ländern eingeladen worden. Sie forderten einen besseren Zugang zu Informationen über Verhütung und Abtreibungskliniken, die vor allem armen Bevölkerungsschichten verwehrt bleiben. Nach Angaben der Frauenorganisationen sterben in den USA jährlich 75 000 Frauen an den Folgen illegaler Abtreibungen. Bei einer Senatsumfrage in 172 Kliniken, die Abtreibungen durchführen, berichteten 30 Prozent der Mitarbeiter von verbalen und tätlichen Angriffen wegen ihrer Arbeit.

Zur Zeit der Demonstration war George W. Bush in Camp David, aber ein Sprecher des Weißen Hauses bezog für ihn Stellung: »Der Präsident glaubt an den Aufbau einer Kultur des Lebens in Amerika.« Man könne »zusammenarbeiten«, um mit gesetzlichen Beschränkungen und der Erziehung Jugendlicher zur Enthaltsamkeit »die Zahl der Abtreibungen zu senken«.

Geteilte Zukunft

Russland/USA. Wenig erfreuliche Zukunftsaussichten prophezeit der Bericht Global Trends 2015 der CIA den Russen. Dass der US-Geheimdienst den weiteren Verfall der Infrastruktur und des Gesundheitswesens sowie die Beständigkeit des Alkoholismus und der organisierten Kriminalität voraussagt, trug man mit Fassung. Große Empörung rief jedoch die Prognose hervor, Russland könne in bis zu acht Staaten zerfallen. »Ich weise die Möglichkeit eines Zerbrechens Russlands kategorisch zurück«, protestierte Parlamentssprecher Boris Gryzlow. Bei einer Umfrage des Radiosenders Ekho bezeichneten jedoch 71 Prozent den Zerfall Russlands als »reale Bedrohung«.

Mahnung zur Ehrlichkeit

Peru. Nicht überall ist es risikolos, seine Wahlversprechen zu brechen. In Llave, einer Ortschaft mit 16 000 Einwohnern in den Anden, trieben am Montag der vergangenen Woche 10 000 Dorfbewohner ihren Bürgermeister Fernando Robles durch die Innenstadt und knüpften ihn an einer Straßenlaterne auf. Polizisten wurde der Zugang zum Ortszentrum versperrt. Viele Aymara-Indigenas aus benachbarten Dörfern sollen sich an den Aktionen beteiligt haben.

Robles wurde vorgeworfen, seine Wahlversprechen nicht eingehalten und öffentliche Gelder unterschlagen zu haben. Zunächst wurde gewaltlos protestiert, doch Robles wollte nicht zurücktreten, und die Bundesbehörden ignorierten den Antrag auf Absetzung. Als die Lage eskalierte, forderte Innenminister Fernando Rospiogliosi über den Regionalfunk die in ihrer Wache belagerten Polizisten auf, sich nicht entwaffnen zu lassen. Einrückende Verstärkungen sollen nun die Kontrole wieder herstellen. Rospiogliosi bezeichnete das als einen »langsamen Prozess«.