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Demo bestellt

Italien. Eine Demonstration für die Freilassung der im Irak entführten Italiener und gegen die Irakpolitik der Regierung Berlusconi! In der italienischen Hauptstadt! Eine Frist von fünf Tagen!

Mit dieser präzisen Forderung und mit der Drohung, die Geiseln umzubringen, falls sie nicht erfüllt werde, wandten sich am Dienstag der vergangenen Woche die islamistischen »Grünen Brigaden«, die in den vergangenen Wochen vier italienische Bodyguards im Irak entführt und einen von ihnen vor laufender Kamera mit einem Genickschuss töteten, an das »italienische Volk«. Und wie zu erwarten war, antwortete das »italienische Volk« unverzüglich. Vor allem die Familien der drei Geiseln riefen zur Demonstration auf. Ihnen schloss sich am vergangenen Donnerstag ein buntes Volk mit Pace-Fahnen an. Selten hat man unter den verschiedenen »Seelen« der Bewegung so schnell einen Konsens über eine Demonstration gefunden. Darüber zu diskutieren, was eine Demo im Auftrag der Islamisten bedeuten würde, schien dem Friedensvolk offenbar überflüssig. »Einerseits ist es schon eine Erpressung, andererseits wird uns eine Lösung angeboten«, schrieb die Europaabgeordnete Luisa Morgantini in der Tageszeitung il manifesto. 5 000 Personen liefen »für den Frieden« von der Engelsburg bis zum Vatikan, der den Demonstranten den Petersplatz öffnete. Der Gastgeber äußerte sich auch zur Lage der Geiseln im Irak. »In Gottes Namen, lasst sie frei«, sagte der Papst.

Heißer Frühling

Italien. Die Bilder von den streikenden Fiat-Arbeitern und dem brutalen Polizeieinsatz im süditalienischen Melfi in der vergangenen Woche schienen aus dem fernen »heißen Herbst« 1969 zu stammen. Über zehn Tage blockierten die Arbeiter in Melfi die gesamte Produktion im größten Fiat-Betrieb Italiens. Sie protestierten gegen die schlechten Arbeitsbedingungen. Überstunden und Nachtarbeit seien ungenügend bezahlt, kritisierten die Arbeiter, vielen von ihnen drohe Kurzarbeit. Teilweise werde drei Wochen lang in der Nachtschicht gearbeitet, der monatliche Lohn dafür liegt zwischen 600 und 800 Euro. Am Dienstag vergangener Woche kam die Polizei im Interesse des Unternehmens zum Einsatz, um drei Bussen mit 40 Streikbrechern Durchgang zu verschaffen. Dabei ging sie mit Knüppeln vor und verletzte 13 Menschen. Aus Solidarität in Melfi fand am nächsten Tag ein vierstündiger Streik der gesamten Fiat-Belegschaft statt. Diese Aktion scheint gelungen zu sein. Wie die italienische Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore meldete, hat der Streik bisher zu einem Produktionsausfall von 21 000 Autos geführt,fast alle Fiat-Werke in Italien seien wegen fehlender Teile durch die Blockaden lahm gelegt worden. Das hatte es bei Fiat seit dreißig Jahren nicht mehr gegeben. Damals hieß es: »Wir wollen alles!«

Ungeliebt und doch gewählt

Mazedonien. Im zweiten Wahlgang hat es Branko Crvenkovski geschafft. Der Sozialdemokrat, der seit 2002 Premierminister Mazedoniens war, ist nun der neue Staatspräsident. Im zweiten Wahlgang entschieden sich 62 Prozent der Wähler für ihn und gegen den Nationalisten Sasko Kedev. Von den 1,7 Millionen Wahlberechtigten waren allerdings nur 53 Prozent an die Urnen getreten. Kedev sprach nach der Wahl vom »schlimmsten Wahlbetrug in der Geschichte Mazedoniens« und behauptete, Anhänger Crvenkovskis hätten Wahlurnen mit gefälschten Stimmzetteln gefüllt. Die Sozialdemokraten wiesen die Vorwürfe zurück. Während in den westlichen Medien der Sieg Crvenkovskis als Sieg über den Nationalismus gefeiert wurde, sprechen die Nationalisten um Kedev von »Hochverrat«, weil der Sozialdemokrat in der Regierung mit der albanischen Minderheit kooperiere. Albaner hingegen werfen Crvenkovski vor, sich nicht genügend für die Rechte der Albaner eingesetzt zu haben. Das will dieser nun ändern und plant eine Verfassungsreform, um den Posten eines Vizepräsidenten zu schaffen, der einem Albaner zustehen soll.

Pass auf, Sozialist!

Frankreich. Frankreichs neuer starker Mann, der Wirtschafts- und Finanzminister Nicolas Sarkozy, stiftet Unruhe. 2007 will er Präsident werden, und überhaupt wartet auf ihn Großes. Da ärgert es einen solchen Staatsmann von Format, wenn man ihn, wie in der letzten Woche der sozialistische Abgeordnete Henri Emmanuelli, einen »Kasper« nennt. »Pass auf! Pass nur gut auf dich auf!« soll Sarkozy den Abgeordneten angeblafft haben. Kurz danach sorgte er für einen Eklat im Parlament, als er den Sozialisten eine Mitschuld am Erstarken des Antisemitismus gab. Nach fünf Jahren Regierung des sozialistischen Premierministers Lionel Jospin hätten die USA geglaubt, dass Frankreich ein antisemitisches Land sei, sagte Sarkozy. Er dagegen sei bei seiner jüngsten Reise in die USA von jüdischen Organisationen eingeladen worden. Die sozialistischen Abgeordneten verließen daraufhin unter Protest den Saal.

Erprobte Schikanen für alle

EU. In der vergangenen Woche, noch kurz vor der Erweiterung, beschlossen die EU-Staaten, das Asylrecht in der ganzen Union weiter zu demontieren. »Vereinheitlichung der Asylverfahrensrichtlinien« nennt sich das. Der deutsche Innenminister Otto Schily war mit dem Ergebnis, im Gegensatz zu verschiedenen Flüchtlingsorganisationen, sehr zufrieden. Sie kritisierten besonders die so genannte Drittstaatenregelung. Dieses Prinzip, das in Deutschland bereits seit mehreren Jahren angewandt wird, besagt, dass Asylbewerber, die über ein Land eingereist sind, das als sicher definiert wird, dorthin zurückgeschickt werden. Zum Schluss landet der Flüchtling aufgrund von Kettenabschiebungen vielleicht wieder in dem Land, aus dem er geflohen ist. Das UN-Flüchtlingskommissariat, UNHCR, bemängelt u.a., dass es nun ermöglicht wird, Asylsuchende abzuschieben, bevor ihr Verfahren abgeschlossen ist. Unbegleiteten Minderjährigen im Alter von 16 Jahren wird es zudem versagt, sich von einem Erwachsenen im Asylverfahren vertreten zu lassen. Die für die Flüchtlinge schlechtesten Regelungen, die bereits in verschiedenen EU-Staaten praktiziert werden, wurden damit zusammengefasst.