Klimawandel

Ölarbeiterstreik in Kolumbien von paul schwan

Ein staatlicher Konzern soll in seine Einzelteile zerlegt und häppchenweise privatisiert werden. Ziel der Übung ist es, attraktive Einheiten für finanzstarke Investoren zu schaffen. Die Mittel sind: Entlassungen, Abbau tarifvertraglicher Rechte, Brechen der gewerkschaftlichen Macht. Das Muster ist bekannt und lässt sich gerade in Kolumbien beobachten.

Letztes Jahr privatisierte die Regierung des Präsidenten Alvaro Uribe, dessen Motto »starke Hand und großes Herz« lautet, die staatliche Telefongesellschaft. Die Hälfte der 10 000 Beschäftigten wurde gefeuert. Jetzt ist der Ölkonzern Ecopetrol an der Reihe. Uribe beweist mit seinen Umstrukturierungsplänen seinen Reformwillen, den die Dresdner Bank in ihrem jüngsten Lateinamerikabericht lobend hervorhebt. Ausländische Direktinvestitionen braucht das Land dringend. Sie bringen zumindest kurzfristig Devisen ins Land, mit denen wieder die Auslandsschulden bedient werden können.

Um die Pläne Uribes zu stoppen, rief die Ölarbeitergewerkschaft am 22. April zum Streik auf. Sie ist die stärkste Gewerkschaft im Land, organisiert über die Hälfte der Ecopetrolbelegschaft, dennoch führt sie einen verzweifelten Abwehrkampf. Die Gewerkschaft sei in der »schwierigsten Situation in ihrer Geschichte«, stellt die Tageszeitung El Tiempo fest. Und wenn es in Kolumbien heißt, dass die Gewerkschaften mit dem Rücken zur Wand stehen, dann sind Gewerkschafter wörtlich zum Abschuss freigegeben. In keinem Staat werden mehr Gewerkschafter umgebracht als in Kolumbien. Über 3 800 in den letzten 15 Jahren. Allein 2003 zählte Amnesty International 80 ermordete oder »verschwundene« Gewerkschaftsaktivisten. Zum vorerst letzten Opfer wurde am 20. April Gabriel Remolina. Unbekannte drangen in seine Wohnung ein und schossen um sich. Remolina, seine Lebensgefährtin und eines der gemeinsamen Kinder starben. Remolina arbeitete für den Coca-Cola-Abfüller Panamco, wegen des Arbeitskonflikts in der Firma hatten Paramilitärs ihm immer wieder mit Mord gedroht.

Im Fall von Ecopetrol trat der Staat selbst auf den Plan. Die Regierung erklärte den Streik umgehend für illegal. Die bestreikten Raffinerien sind von Militär umstellt, Verwaltungsangestellte aus Bogota sind als Streikbrecher eingesetzt, die Polizei droht »Antiterrormaßnahmen« gegen den illegalen Streik an. Gleichzeitig entlässt die Unternehmensleitung nach und nach die Streikaktivisten. 88 waren es bis zum vergangenen Wochenende, darunter die Führung der Gewerkschaft.

Noch ist die Auseinandersetztung um Ecopetrol nicht entschieden. Unter Vermittlung der katholischen Kirche verhandelt die Regierung inzwischen mit der Gewerkschaft. Aber ein allgemeiner Trend lässt sich erkennen: Wirtschaftlich strebt Präsident Uribe kleinere Einheiten und Privatisierung an, zur Bekämpfung der Guerilla, der Opposition und der Gewerkschaften operiert er mit Zentralisierung und Verstaatlichung. Die in der Vergangenheit etablierte Arbeitsteilung zwischen Staat und Paramilitärs scheint langsam abgelöst zu werden. Viele Paramilitärs sind zwar immer noch aktiv, aber ein Teil wurde unter Zusicherung weit gehender Amnestie entwaffnet und hat versprochen, sich jetzt nur noch legal politisch zu engagieren. Gleichzeitig dehnt Präsident Uribe die Grenzen der Legalität für seine Sicherheitskräfte aus. Notstandsdekrete setzen Grundrechte außer Kraft, das Militär übernimmt Polizeifunktionen, Spitzelnetzwerke werden aufgebaut und Dorfmilizen gegründet. Und weil das Verfassungsgericht einen Teil seiner Maßnahmen für unzulässig erklärte, plant Uribe jetzt, die Kompetenzen des Gerichts zu beschneiden.

Der Reformeifer ist ungebrochen, der internationale Kapitalmarkt ist freundlich gesinnt, das Investitionsrisiko gesunken. Wen interessieren da noch die Methoden, mit denen Uribe für das günstige Investitionsklima sorgt?