Nachhaltig umbauen

Am Wochenende wurde in Barcelona das Weltkulturforum 2004 eröffnet. Es geht um Frieden, Kultur und Nachhaltigkeit und um die Aufwertung der Stadt. von inge wenzl, barcelona

Das Protesttrommeln auf Kochtöpfen war bereits während des Irakkriegs in Barcelona allgegenwärtig. Auch die Eröffnungszeremonie des Weltkulturforums 2004 am Samstag wurde auf diese Weise akustisch begleitet. Geladen waren das spanische Königshaus und 500 ausgesuchte Gäste. Nach eineinhalb Stunden blumiger Worte wurde erstmals die pompöse Theaterproduktion »Moure el mon« (»Die Welt verändern«) aufgeführt. Am Sonntag öffnete das Forum dann auch für alle anderen Besucher seine Tore.

Frieden, Nachhaltigkeit und kulturelle Vielfalt sind die freundlich klingenden Themen, die in den nächsten viereinhalb Monaten behandelt werden sollen. Erwartet werden zu insgesamt 47 Gesprächsrunden Vertreter der Uno und verschiedener NGO, diverse Schriftsteller und Friedensnobelpreisträger. Zugesagt haben unter anderen der Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms, Klaus Töpfer, die Ökonomin Susan George und der kommunistische Autor José Saramago aus Portugal. Nicht gelungen ist es den Veranstaltern dagegen trotz intensiver Bemühungen, bekannte Intellektuelle oder Aktivisten der Anti-Globalisierungsbewegung wie Naomi Klein, Noam Chomsky oder José Bové zur Teilnahme zu bewegen.

Neben den Diskussionsrunden finden Hunderte von Konzerten, Theateraufführungen und Ausstellungen statt. Initiatoren und maßgebliche Geldgeber des Milliardenprojekts sind die Regierungen Spaniens, Kataloniens und Barcelonas. Die übrigen 40 Prozent der Kosten sollen durch Sponsorengelder von Konzernen wie Nestlé oder Coca-Cola und durch saftige Eintrittspreise aufgebracht werden; so kostet schon die Tageskarte für das Forumgelände 17,90 Euro. Die Veranstalter rechnen dennoch mit insgesamt 7,5 Millionen BesucherInnen.

Während trotz aufwändiger Werbekampagnen den meisten Menschen in Barcelona die Absicht und der Inhalt des Großereignisses ziemlich nebulös geblieben sind, formiert sich in alternativen Kreisen der Stadt bereits seit Monaten Widerstand. Einmal pro Woche treffen sich VertreterInnen von Nachbarschaftsinitiativen und sozialen, ökologischen und studentischen Gruppen in einer »Versammlung des Widerstands gegen das Forum 2004«, um ihre Aktionen zu koordinieren.

Einer ihrer Hauptkritikpunkte ist die Auswahl der Geldgeber. Der Konzern Coca-Cola etwa wird wegen seiner Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien kritisiert und Endesa als maßgeblicher Drahtzieher eines gigantischen Staudammprojektes in Südchile. Auf die Machenschaften eines weiteren Sponsors, der spanischen Firma Indra, machte die Organisation »Asamblea Permanente contra la Guerra« (Ständige Versammlung gegen den Krieg) kürzlich mit einer spektakulären Aktion aufmerksam. Indra stellt unter anderem militärische Informationstechnologie her und ist an der Entwicklung des Eurofighters beteiligt. Verkleidet als UN-Waffeninspektoren, gelangten am 29. April vierzig linke Aktivisten unbehelligt in den dritten Stock des Firmensitzes in Barcelona. Unter den ungläubigen Blicken der überrumpelten Angestellten bauten sie deren Computer ab und verpackten sie in Kisten mit der Aufschrift: »Achtung, Massenvernichtungswaffen!« Währenddessen verlas ein Aktivist ein Flugblatt zur Verwicklung der Firma in diverse Waffengeschäfte. Anschließend trugen sie die Computer in die Vorhalle, zogen ihre weißen Schutzanzüge aus und verteilten sich zwischen den TeilnehmerInnen einer Unterstützungskundgebung vor dem Gebäude, ehe die anrückende Polizei ihre Personalien aufnehmen konnte.

Die Konzernleitung von Indra wollte zu der Aktion keine Stellung nehmen. Zwischen der »Anfertigung von Verteidigungstechnologie« und der finanziellen Unterstützung des Weltkulturforums sehe man keinen Widerspruch, so die Pressesprecherin in Madrid. Auch der Geschäftsführer des Forums 2004, Jaume Pagès, wiegelt ab: »Es mag bei dem einen oder anderen Unternehmen Widersprüche geben, doch nicht nur bei ihnen, sondern bei der Mehrheit der Bürger und Teilnehmer. Widersprüche sind menschlich.«

Argwohn gegen das Forum regt sich auch unter den ProfessorInnen der Universität in Barcelona. So stellten am 30. April verschiedene katalanische DozentInnen gemeinsam mit VertreterInnen der Versammlung des Widerstands gegen das Forum 2004 ein Buch vor, in dem sie ihre Kritik gebündelt haben. Der Anthropologe Manel Delgado wirft den Organisatoren und Sponsoren vor, mit dem Forum die an sich begrüßenswerten Ziele wie Frieden, Erhaltung der Umwelt und Multikulturalität für sich einzunehmen und durch ihr entgegengesetztes Handeln ad absurdum zu führen, so wie die Regierung Aznar mit dem Ausländergesetz, »das MigrantInnen marginalisiert und den Irakkrieg mitführte, oder die Multis, die in den Krieg verstrickt sind und das Forum finanziell unterstützen«.

Doch die Kritik am Forum bewegt sich nicht allein auf inhaltlicher Ebene. Von insgesamt 2,5 Milliarden Euro Etat sind »nur« schlappe 300 Millionen für die Debatten und das Kulturprogramm veranschlagt. Der Löwenanteil von knapp 2,2 Milliarden Euro fließt in Baumaßnahmen. In den Flugblättern, die Mitglieder der Versammlung des Widerstands gegen das Forum 2004 am Sonntag an die BesucherInnen verteilten, werfen sie den Organisatoren Scheinheiligkeit vor. Tatsächlich gehe es ihnen darum, Barcelona in das Licht der Weltöffentlichkeit zu rücken, Profit zu machen und vor allem umfassende städtebauliche Maßnahmen zu rechtfertigen; zum Beispiel die Verlängerung der zentralen Verkehrsachse bis zum Meer und die Erschließung des bis dato nahezu unbebauten Küstenstreifens, auf dem sich das neue Kongresszentrum befindet. Entlarvend ist dabei das Statement des regierenden Bürgermeisters Joan Clos zu der Bedeutung des Forums 2004 für seine Stadt: »Nach der Olympiade ist das die zweite große Umgestaltung Barcelonas. Wir wollen das Küstengebiet bis zu den Vierteln in der unmittelbaren Nachbarschaft des Forums erschließen.«

Albert Martínez von der Versammlung des Widerstands gegen das Forum 2004 wirft der Stadt außerdem Geschäftemacherei vor: »In dieser Gegend war der Grund sehr billig. Indem er zu Bauland erklärt wurde, gewann er ungeheuer an Wert. Dort bauten dann die Multis und französische und deutsche Hotelketten.« Clos weist diesen Vorwurf zurück. Es handele sich lediglich um eine städtebauliche Verbesserung.

Eine Gruppe namens »Fotut 2004« (was auf Katalanisch so viel wie »Kaputt 2004« bedeutet) führt derzeit in den Vierteln an der nördlichen Stadtgrenze eine Wanderausstellung zum Thema Bodenspekulation durch. Begleitend gibt es eine Volksküche und Diskussionen. Am 15. Mai wollen kritische Gruppen am Carnaval de Salvador da Bahia teilnehmen, den der populäre brasilianische Sänger Carlinhos Brown im Rahmen des Forums kostenlos in der Innenstadt Barcelonas veranstaltet.