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Demütiger Ton

USA. Der diesjährige Nationale Gebetstag war für Präsident George W. Bush eine besonders schwere Übung. Angesichts des Skandals wegen der Folterpraktiken im Irak galt es, Bescheidenheit zu demonstrieren. Das scheint Bush geschafft zu haben. »Gott steht nicht auf der Seite einer Nation.« Diese Erkenntnis wurde von der liberalen New York Times als »demütigerer Ton« gewertet. Zugleich musste Bush die Gelegenheit nutzen, die in den evangelikalen Kirchen organisierte christliche Rechte zu mobilisieren. Der Nationale Gebetstag wurde 1952 unter Präsident Harry Truman eingeführt, um die interkonfessionelle Verständigung zu fördern. Die National Day of Prayer Task Force dagegen bevorzugt eine protestantisch-evangelikale Interpretation, ihre Vertreter lud Bush zum gemeinsamen Gebet ein. Das Event wurde von zahlreichen Radio- und Fernsehsendern übertragen.

Damit dürfte Bush jedoch seine dritte Aufgabe, Säkularisten und Andersgläubige nicht zu verärgern, verpatzt haben. Denn die Evangelikalen rufen nicht nur zu Gebeten auf, die Gott dazu bewegen sollen, der politischen Führung »Weisheit und Einsicht« zu schenken, was in der Tat nicht schaden könnte. Sie wenden sich auch gegen »homosexuelle Propaganda« und treten für die Herrschaft »christlicher Werte« ein. Trent Duffy beeilte sich, im Namen des Weißen Hauses zu erklären, dass solche Gebete nicht die Meinung Bushs wiedergäben.

Diverse Verschwörungen

Libyen. Die Foltervorwürfe gegen die US-Truppen im Irak kamen Hassouna al-Shawish, dem Sprecher des libyschen Außenministeriums, sehr gelegen. »Amerika hat kein Recht, über Menschenrechte zu reden«, konterte er am Freitag der vergangenen Woche die US-Kritik an den tags zuvor verhängten Urteilen. Fünf bulgarische Krankenschwestern und ein palästinensischer Arzt wurden zum Tode verurteilt, weil sie 1998 absichtlich mehr als 400 Kinder mit Aids infiziert haben sollen. Die Geständnisse der Verurteilten wurden durch Folter erzwungen und später widerrufen.

»Manche sagen, es war die CIA, andere sagen, es war der Mossad«, orakelte Staatschef Muammar al-Gaddafi 1998. Später hieß es, die Verurteilten hätten neue Medikamente erforschen wollen. Experten wie der französische Professor Luc Montagnier machen mangelnde Hygiene für die Infektionen verantwortlich. Dass in Libyen außerehelicher Geschlechtsverkehr vorkommt, Infektionen wegen mangelnder Aufklärung nicht erkannt und durch unzureichend sterilisierte Spritzen verbreitet werden, mag Gaddafi nicht eingestehen. Die Verurteilten können jedoch hoffen, dass er von einer Hinrichtung Abstand nimmt, um die Annäherung an den Westen nicht zu gefährden.

Diverse Fragen

Sudan. Eine »Herrschaft des Terrors« und »wiederholte Verbrechen gegen die Menschheit« stellte der UN-Menschenrechtsbeauftrage Bertrand Ramcharan fest. Den Sicherheitsrat beeindruckte das wenig, er will bei der Lösung des Konflikts in der westsudanesischen Provinz Darfur (Jungle World, 20/04) der Afrikanischen Union den Vortritt lassen. Obwohl Menschenrechtsorganisationen und UN-Kommissionen die sudanesische Regierung übereinstimmend für die Vertreibung fast einer Million Menschen verantwortlich machen, enthielt sich der Sicherheitsrat einer Verurteilung der islamistischen Herrscher in Khartoum. Auf der UN-Agenda firmiert der Darfur-Konflikt unter »diverse Fragen«.

Bislang hatte vor allem die US-Regierung den Sudan zu Kompromissen mit den bewaffneten Rebellenorganisationen gedrängt. Der sudanesische Außenminister Mustafa Ismail versäumte es nicht, den USA als »größten Menschenrechtsverletzern der Welt« das Recht auf Ermahnungen abzusprechen. Und die in die Defensive geratene US-Regierung scheint an einem weiteren Konflikt, der zu einer Solidarisierung arabischer Staaten mit dem Sudan führen könnte, nicht interessiert zu sein.

Anschlag in Grosny

Russland. Regelmäßig erklärt der russische Präsident Wladimir Putin den Tschetschenienkrieg für so gut wie gewonnen, und regelmäßig antworten die Separatisten mit einem spektakulären Anschlag. Bei einer Explosion unter der Ehrentribüne im Stadion von Grosny starben am Sonntag mehr als 30 Menschen, unter ihnen Achmed Kadyrow, der Präsident Tschetscheniens.

Im ersten Tschetschenienkrieg stand Kadyrow auf der Seite der Separatisten, als Warlord und Mufti (Rechtsgelehrter) rief er zum Jihad gegen Russland auf. Beim Ausbruch des zweiten Tschetschenienkrieges im Jahre 1999 entschied sich Kadyrow für den Kreml. Putin machte ihn zum Verwaltungschef, 2003 wurde Kadyrow als einziger Kandidat in manipulierten Wahlen zum Präsidenten gewählt. Er bemühte sich immer wieder, Distanz zum Kreml zu demonstrieren, was die tschetschenischen Separatisten jedoch nicht beeindruckte.

Die Ehre der Waffen

Vietnam/Frankreich. Die Entkolonisierung scheint der französische Präsident Jaques Chirac noch nicht ganz verkraftet zu haben. »Ohne Schlaf, mit wenig Munition, Verbandszeug und Nahrung, kämpften sie mit all ihrer Kraft und außerordentlichem Mut für die Ehre der Waffen und die Ehre Frankreichs«, lobte er am Freitag der vergangenen Woche den vergeblichen Einsatz der Soldaten für das französische Kolonialreich in Indochina. Am 7. Mai 1954 hatte der französische Oberst Christian de Castries in Dien Bien Phu die weiße Fahne hissen und sich den weit schlechter ausgerüsteten vietnamesischen Truppen ergeben müssen.

Erstmals hatte die Armee eines kolonisierten Landes in einer konventionellen Feldschlacht gesiegt, der Erfolg der vietnamesischen Belagerer Dien Bien Phus war ein Vorbild für antikoloniale Kämpfe in aller Welt. In Vietnam wurde der Tag unter anderem mit einer Siegesparade und einer Nachstellung der historischen Schlacht gefeiert.