Nachrichten

Beten gegen Toleranz

Polen. Die Radikalkatholiken in Krakow hatten alle Kräfte mobilisiert. Die himmlischen und die irdischen Mächte sollten sich der Demonstration für die Rechte von Homosexuellen am Freitag vergangener Woche entgegenstellen. Die Christliche Kulturgesellschaft Pater Skarga rief alle Christen zum Rosenkranzgebet »für Jesu und der Mutter Gottes Erbarmen vor den Sünden der Sodomie«, öffentliche Massengebete sollten dies unterstützen. Handfester wurden die rechtsextreme Gesamtpolnische Jugend, Hooligans und Nazi-Skinheads. 300 Rechte griffen die 1500 Teilnehmer des Toleranz-Marsches mit Eiern und Steinen an. Passanten beschimpften sie als »Perverse« und »Mörder« und schrieen: »Haut doch ab nach Europa.« Die Demonstranten konnten dennoch von der Universität bis zur Stadtburg Wawel ziehen. Die Demonstration war Teil des Festivals für Toleranz, das vom 4. bis zum 9. Mai in Krakow stattfand. Zuvor hatte es eine Hetzkampagne gegen die Veranstaltung gegeben (Jungle World, 20/04), und die Stadt hatte Zusagen für die Nutzung von öffentlichen Räumen zurückgezogen.

Die Parteien-Partei

Italien. »Das ist nur der Anfang«. Unter diesem Motto fand am vergangenen Wochenende der Gründungskongress der Partei der Europäischen Linken (EL) in Rom statt. Am 11. Januar hatten in Berlin die Vertreter von elf Linksparteien einen Aufruf zur Gründung einer Partei der Europäischen Linken unterschrieben (Jungle World, 4/04). Die EL wird nicht als Partei bei der Europawahl am kommenden 13. Juni antreten, aber ihre Mitglieder werden eine gemeinsame Wahlkampagne mit gleichen Slogans führen. »Wir stellen die Herrschaft des Profits in Frage, wir wollen die Macht des Kapitalismus überwinden. Wir wollen eine andere Qualität des Lebens, der Arbeit, der Produktion und der Verteilung«, liest man im Gründungsmanifest der EL. Zwanzig Parteien aus den alten und den neuen EU-Ländern waren an dem Kongress beteiligt. Eine der tragenden Parteien des neuen Linksbündnisses ist die italienische Rifondazione Comunista, deren Chef Fausto Bertinotti am Sonntag zum EL-Vorsitzenden gewählt wurde. Innerhalb der altkommunistischen Rifondazione herrscht allerdings große Skepsis gegenüber dem neuen Projekt, unter anderem wegen des Namens: Dass die neue Partei nicht das Wort »kommunistisch« enthält, finden viele problematisch. Die entscheidende Frage allerdings, sagen die Kritiker, wird das Verhältnis dieser Partei zu den sozialen Bewegungen und zur Sozialdemokratie sein.

Auf EU-Kurs

Türkei. Mit überwältigender Mehrheit hat das türkische Parlament am vergangenen Freitag Verfassungsreformen verabschiedet, die das Land auf EU-Kurs bringen sollen. Die wichtigste Neuerung betrifft die Einschränkung der Rolle des Militärs in der türkischen Politik. Vorgesehen ist die Abschaffung der Staatssicherheitsgerichte, die noch auf die Militärherrschaft in den achtziger Jahren zurückgehen. Viele politische Prozesse fanden vor diesen Sondertribunalen statt, die seit Jahrzehnten von Menschenrechtsorganisationen heftig kritisiert werden. Weiter soll das Militär seinen Einfluss auf Aufsichtsgremien in den Bereichen Bildung, Radio und Fernsehen verlieren, und ein Paragraf zur rechtlichen Gleichberechtigung von Mann und Frau soll eingefügt werden. Die Reformen sehen auch die Stärkung des internationalen Rechts gegenüber nationalen Gesetzen vor. Die Neuerungen wurden in der vorigen Woche von Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan im Parlament eingebracht und mit 457 zu acht Stimmen verabschiedet. Im Dezember wird die EU über mögliche Beitrittsgespräche mit der Türkei entscheiden.

Angekommen in Europa

Polen. Alles neu macht der Mai. Marek Belka vom regierenden Bündnis der Demokratischen Linken (SLD) ist seit dem vorletzten Sonntag neuer polnischer Ministerpräsident. Er sorgte gleich in der ersten Woche für eine Überraschung. Die Zeitung Zycie Warszawy berichtete, er arbeite an einem Zeitplan für den Rückzug der 2500 Soldaten aus dem Irak. Belka erklärte dazu nur, es gebe keinen konkreten Zeitpunkt für einen Truppenrückzug. Der Ministerpräsident steht unter Druck, da er am kommenden Freitag vom Parlament in seinem Amt bestätigt werden muss. Izabela Jaruga-Nowacka, die Vorsitzende der Arbeiterpartei, die mit der SLD koaliert, stellte bereits klar, Belka müsse in seiner Regierungserklärung am Freitag einen Zeitplan für den Rückzug vorstellen. Auch beim Streit um eine künftige EU-Verfassung scheint sich der neue Ministerpräsident der Linie der EU zu beugen. Belka erklärte dem irischen EU-Ratsvorsitzenden Bertie Ahern, seine Regierung sei an Kompromissen interessiert.

Noch nicht angekommen

Irland. Mit Inseln ist es wie mit Wolken. Bei Betrachtung der Umrisse kann man der Assoziationskraft der eigenen Fantasie freien Lauf lassen und sieht plötzlich Bären, Zwerge oder den Glöckner von Notre Dame. So ist es wohl auch der irischen Post ergangen, als sie die Sonderbriefmarke zur EU-Erweiterung konzipierte. Vielleicht, weil man es nicht besser wusste, vielleicht aber auch, weil Zypern zu weit ab vom Schuss liegt und die Europakarte auf der winzigen 65-Cent-Briefmarke zu klein geworden wäre, erklärte man kurzerhand Kreta zu Zypern und schaffte damit gleichzeitig im Handstreich die zypriotische Wiedervereinigung, die der Uno noch misslungen war. Denn eine Grenze ist auf der Briefmarkeninsel nicht zu erkennen. Aber das ist vielleicht auch besser so. In Kreta hätte das sicher zu einiger Beunruhigung geführt. Falsche Häme gegenüber der irischen Post ist jedoch unangebracht. Eine spontane Umfrage unter Redakteuren ergab, dass auch die Meinungen über die Gestalt der irischen Insel durchaus variieren.