Sechs, setzen!

Umweltgutachten 2004 von heiko balsmeyer

In der ersten Legislaturperiode bis zum Jahr 2002 sei es noch ein bisschen mehr zur Sache gegangen. Eine »nachlassende Dynamik« in ihrer Umweltpolitik bescheinigte der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) der Bundesregierung in der vergangenen Woche. Für ein vom Bundesumweltminister persönlich berufenes Gremium waren die Worte im Umweltgutachten 2004 mit dem Titel »Umweltpolitische Handlungsfähigkeit sichern« geradezu scharf.

Immerhin konstatiert der Umweltrat neben der »mehrjährigen wirtschaftlichen Stagnation« als Ursache für den nachlassenden Schwung auch politische Versäumnisse. So seien bei den Finanz- und Sozialreformen ökologische Aspekte weitgehend ausgeklammert worden, und die fehlende Konfliktbereitschaft der Regierung ermögliche es einigen Kapitalfraktionen, ihre Interessen problemlos zu Lasten der Umwelt durchzusetzen. Als Beispiel für die fehlende Konfliktbereitschaft dient im Gutachten die Auseinandersetzung um die Verteilung der Emissionsrechte vor dem beginnenden Emissionshandel. Nach Ansicht des Umweltrates kam die Regierung der deutschen Industrie so weit entgegen, »dass die Lenkungswirkung des Emissionshandels in dramatischem Umfang abgeschwächt« ist. Aber auch die Chemieindustrie und die Energiekonzerne könnten unbehelligt agieren.

Der Rat hat auf mehr als 1 000 Seiten ausgewählte umweltpolitische Handlungsbereiche wie Energie, Landwirtschaft, grüne Gentechnik, Lärmschutz oder Chemikalienpolitik ausführlich analysiert und mit Politikempfehlungen versehen. So sei der Zeitpunkt für einen Umbau des Energiesystems so günstig wie selten, da in den nächsten 15 Jahren in Deutschland fast die Hälfte aller Kraftwerke altersbedingt ersetzt werden müsse. In diesem Zeitraum könne daher der notwendige Umstieg auf erneuerbare Energien und klimafreundlicheres Erdgas im normalen Investitionszyklus besonders kostengünstig erfolgen. Doch die Abkehr von fossilen Brennstoffen als Hauptenergielieferant ist nicht in Sicht, genauso wenig wie ein Atomausstieg, der den Namen verdient.

Die Grenzen der Kritik des Sachverständigenrates zeigen sich zum Beispiel beim Thema Gentechnik in der Landwirtschaft. Der Versuch, ihre Anwendung zu verhindern, sei »lediglich weltanschaulich« motiviert und »gescheitert«, meint der Umweltrat, obwohl er einräumen muss, dass an gentechnisch veränderten Produkten »kein dringender Bedarf« bestehe. Auch wird nicht geleugnet, dass noch nicht abzuschätzende Risiken bei der Freisetzung von gentechnisch manipulierten Organismen bestehen.

Das vollständige Scheitern der »Wendekonzepte« der rot-grünen Bundesregierung, wie etwa der »Energiewende«, der »Verkehrswende« usw., resultiert vor allem aus der Nichtberücksichtigung von Klassen und Interessen. Die Konzepte beruhen auf wissenschaftlichen Modellwelten, in denen den Selbstverpflichtungen der Unternehmen vertraut wird. Dann gibt man sich überrascht, wenn sich die Realität dem Modell einfach nicht beugen will.

Bundesumweltminister Jürgen Trittin zog das Fazit: »Zu viele Selbstverpflichtungen sind in letzter Zeit gebrochen oder in Frage gestellt worden, etwa beim Dosenpfand oder im Klimaschutz.« Dies zeige, »dass auch auf ordnungsrechtliche Vorgaben nicht verzichtet werden kann, um umweltpolitische Ziele zu erreichen«. Jürgen Trittin aber wird für den Verbleib im Regierungsamt auch noch den letzten Unsinn als umweltpolitischen Erfolg verkaufen. Dafür wird er auch in Zukunft noch gebraucht.