Watergate

Vor drei Jahren wurden die Berliner Wasserbetriebe privatisiert. In diesem Jahr steigen die Gebühren um 15 Prozent. von martin kröger

Am 25. Mai ist es so weit. Zum zweiten Mal in diesem Jahr tritt in einem Prozess vor dem Berliner Landgericht der Interessenverein Haus und Grund gegen die Berliner Wasserbetriebe (BWB) an. »Wir klagen seit Jahren gegen die Berliner Wasserbetriebe, um Transparenz bei der Bestimmung der Wassergebühren zu erreichen«, sagt Dieter Blümmel, der Pressesprecher von Haus und Grund. Außerdem sollen die neuen Verzinsungspraktiken und die Personalkosten der BWB gerichtlich überprüft werden. Im Verein ist man sich sicher, dass in Berlin die Wasserbetriebe seit Jahren völlig überhöhte Gebühren erheben. »Schon in den neunziger Jahren wurde so den Bürgern über eine Milliarde Euro aus der Tasche gezogen«, behauptet Blümmel.

Sollte der Verein den Prozess gewinnen, könnte das weit reichende Konsequenzen haben. »Wenn das dazu führt, dass die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe dadurch rückgängig gemacht wird, hab’ ich nichts dagegen«, sagt Blümmel, der ansonsten ein ausgesprochener Befürworter von Privatisierungen ist.

Die Konsequenzen aus dem Verkauf der landeseigenen Wasserbetriebe im Jahre 1999 durch die damalige große Koalition aus CDU und SPD werden die BerlinerInnen spätestens gegen Ende dieses Jahres bemerken, wenn sie einen Blick auf ihre Wasserrechnung werfen. Die Gebühren steigen um satte 15 Prozent.

Dabei sollte der Verkauf von 49,9 Prozent der Anteile an den Wasserbetrieben an ein privates Konsortium »gerade mittel- und langfristig neue Perspektiven« eröffnen und den »Kunden ausgezeichnete Konditionen« bieten, wie die ehemalige Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) vor fünf Jahren versprach. Von einer Erhöhung der Entgelte war damals noch nicht die Rede, im Gegenteil, deren langfristige Senkung wurde in Aussicht gestellt.

»Ausgezeichnete Konditionen« handelten dagegen die privaten Investoren von RWE Aqua, der französischen Veolia Water (ehemals Vivendi) und der Allianz Capital Partners aus. Für schlappe 1,58 Milliarden Euro erwarben sie fast die Hälfte der Anteile des größten und modernsten deutschen Wasserlieferanten, wovon das Land Berlin wenig hatte, da die Einnahmen bereits 1998 in den schon zu dieser Zeit defizitären Landeshaushalt eingerechnet worden waren.

Versüßt wurde den privaten Investoren der Deal durch die vertragliche und gesetzliche Festlegung einer durch das Land Berlin garantierten Rendite von mindestens sechs Prozent aus Kapitalverzinsung pro Jahr. Das entspricht ungefähr 95 Millionen Euro jährlich, die die privaten Gesellschafter 30 Jahre lang einstreichen.

Damit auch keine Zweifel bei den Käufern aufkommen konnten, erklärte sich das Land Berlin gar bereit, sämtliche Risiken zu übernehmen, sollten die Vereinbarungen juristisch angefochten werden. Denn die damalige Opposition aus Grünen und der PDS hatte vor dem Landesverfassungsgericht Klage gegen das Gesetz eingereicht, das die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe regelt. Das Landesverfassungsgericht bemängelte zwar zwei Punkte, erklärte aber im Herbst 1999 das gesamte rechtliche Konstrukt der Teilprivatisierung für prinzipiell verfassungskonform. In die Verträge, die daraufhin in einer eilig einberufenen Sitzung des Berliner Senats abgesegnet wurden, hatten die Abgeordneten nur Einsicht bekommen, weil das Verfassungsgericht es in letzter Minute angeordnet hatte. Ihre Tragweite konnten die meisten Abgeordneten jedoch nicht abschätzen.

»Das Land Berlin hat die Wasserbetriebe verpfändet, und zwar in einer Weise, dass das Land ohne die Investoren gar nichts mehr kann«, meint Klaus Lederer, der rechtspolitische Sprecher der PDS-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Doch an der Altlast der großen Koalition könne die derzeitige rot-rote Regierung nichts ändern. Zwar habe der Senat die Kritik des Landesverfassungsgerichts nutzen können, um eine Novellierung des Teilprivatisierungsgesetzes im vergangenen Dezember durchzusetzen, dadurch jedoch auch den Weg für die Gebührenerhöhungen frei gemacht, räumt Lederer ein. Und hätte das Land nicht auf eigene, in den Verträgen geregelte Einnahmen aus den Wasserbetrieben verzichtet, wäre die Gebührenanhebung noch wesentlich höher ausgefallen, um 30 Prozent statt der nun beschlossen 15 Prozent. »Es wird sicher noch einiges an Gebührenerhöhungen kommen, da ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht«, prognostiziert Klaus Lederer denn auch die Entwicklung für die nächsten Jahre.

Dass die Zeche für die verfehlte Privatisierungspolitik fast ausschließlich die VerbraucherInnen zahlen, wird immer deutlicher. Zwar organisiert noch niemand Demonstrationen gegen die BWB, so wie es derzeit wegen der Fahrpreiserhöhungen der Berliner Verkehrsbetriebe häufiger vorkommt, aber das Geschäft mit der Ware Wasser findet immer mehr Beachtung.

Sogar in der SPD findet sich ein harter Kern von KritikerInnen rund um die Abgeordnete Gerlinde Schermer und den linken »Donnerstagskreis«. Ende April sagte Schermer der taz: »Ja, ich fordere den Rückkauf der Wasserbetriebe. Der würde rund zwei Milliarden kosten. Bei einem Darlehen mit vier Prozent kommen wir immer noch billiger weg als mit den acht Prozent, die das Land an vertraglich festgelegter Rendite an die Konzerne zahlen muss.« Eine Alternative, die für Klaus Lederer von der PDS überhaupt nicht in Frage kommt, weil »das Land Berlin in der Kürze der Zeit keinen Preis bieten kann«, der die Investoren dazu bewegen könnte, das Geld zu nehmen und zu gehen. Zudem wäre eine Neuverschuldung den BürgerInnen bei der derzeitigen desaströsen Haushaltslage nicht zu vermitteln.

Wenig Beachtung finden in der Debatte Alternativen, die die Kontrolle und Bewirtschaftung durch die BerlinerInnen selbst in Form von Fonds- oder Genossenschaftsmodellen, wie anderswo erfolgreich praktiziert, in den Vordergrund stellen. Für Partizipation ist es wieder einmal zu spät. Es sei denn, die Klagen des Interessenverbandes Haus und Grund Berlin gegen die Wasserbetriebe am 25. Mai sind erfolgreich und das Gericht beurteilt die Bemessung der Gebühren als rechtswidrig. Bis dahin empfiehlt der Interessenverband, sich mit Protestbriefen an die Berliner Wasserbetriebe zu wenden und zu erwägen, die Rechnungen für die Wasser- und Abwasserleistungen unter Vorbehalt zu zahlen.

Bei der BWB macht man sich angesichts der Klagen keine Sorgen. »Uns ist sehr wenig bange, was den Prozess am 25. Mai angeht«, sagt der Pressesprecher der BWB, Stephan Natz. Erst am 20. April habe man einen ähnlichen Musterprozess gewonnen, in dem bestätigt wurde, »dass Kunden kein Zurückhaltungsrecht für ihre Rechnungen haben«. Zudem seien schon Mitte der neunziger Jahre diverse Klagen gegen zu hohe Wassergebühren gescheitert.

Wie auch immer die juristischen Auseinandersetzungen ausgehen werden, fest steht, dass die Kosten für die Teilprivatisierung die BerlinerInnen tragen werden, sei es mit höheren Wassergebühren, die die Gewinne der privaten Investoren garantieren, sei es, im unwahrscheinlicheren Fall, mit Steuern für die anfallenden Zinsen, falls sich das Land bei einer Rückverstaatlichung der Wasserbetriebe neu verschulden muss.