Ausgefunkt

Berlin sucht ein Freies Radio von niklas luhmann

Die Berliner Luft ist wieder von unhörbarer Fröhlichkeit beherrscht. Und bestimmt gibt es einige, die die Zeiten der teils chaotischen Funkerei ohne Werbung und Aufrufe zu einem überglücklichen Leben missen.

Mit dem Sendeschluss des unabhängigen Radios reboot.fm am 30. April ging eine Reihe von drei experimentellen Radioprojekten, die es im letzten Jahr in Berlin gegeben hat, zu Ende. Das Programm von juniradio, radioriff und reboot.fm gestalteten neben unabhängigen Einzelpersonen hauptsächlich die Radiokollektive radiokampagne.de, ausland, polyphon und reboot.fm.

Am vergangenen Donnerstag luden diese Berliner Radioinitiativen zu einer Diskussionsveranstaltung in die Heinrich-Böll-Stiftung ein, um gemeinsam mit Vertretern von Gewerkschaften, Politik und Medienrat der Frage nachzugehen, unter welchen Bedingungen eine Vollfrequenz für ein unabhängiges, nicht kommerzielles Radioprojekt in Berlin entstehen könnte. Der Politik wurde einmal mehr die Forderung gestellt, endlich die Voraussetzungen für ein freies Radio zu schaffen, in dem – im Gegensatz zu den üblichen massenmedialen Dudelfunkfrequenzen – Versuche einer neuen Hörfunkästhetik ebenso wie neue und experimentelle Musik sowie gesellschaftskritische Stimmen einen Platz finden können.

Wiederholt betonte Prof. Ernst Benda, Vorsitzender des Berliner Medienrates – welcher für die Ausschreibung und Vergabe der Hörfunkfrequenzen verantwortlich ist – dass der Medienstaatsvertrag von Berlin und Brandenburg die Möglichkeit eines nicht kommerziellen Lokalfunks nicht ausdrücklich vorsieht. Somit bedürfe es erst einer Gesetzesänderung, die wiederum Aufgabe der Politik sei. Doch diese war nur durch den etwas schlecht informierten medienpolitischen Sprecher der CDU, Michael Braun, vertreten: »Worin unterscheidet sich denn eigentlich ein freies Radio von anderen Sendern und welchen Mehrwert hat das Ganze?«, nölte er. Auch Prof. Benda gab gelassen zu, keine einzige Minute der in insgesamt fünf Monaten gefunkten Sendungen gehört zu haben. Und wurde trotzdem nicht müde zu betonen, dass ihm auch noch nicht ganz klar sei, was denn eigentlich der Unterschied dieser Formen von freiem Radio zu dem bestehendem Bürgerfunk-Modell des Offenen Kanals (OK) oder der angeblich schon bestehenden »Vielfalt« des Berliner Radioprogramms sei.

Das Signal war am Ende aber eindeutig. Da es die gesetzlichen Rahmenbedingungen für ein freies Radio in Berlin noch nicht gebe, bliebe den MacherInnen nur die Möglichkeit, sich gemeinsam mit dem OK um die frei gewordene ehemalige Frequenz von Radio MultiKulti auf 106,8 MHZ zu bewerben. Vor allem die Leute von reboot.fm sehen hierin eine Chance. So hätten viele die Möglichkeit, weiter Radio zu machen und die Forderung nach einer nicht kommerziellen Vollfrequenz könnte weiter öffentlich gemacht werden. Einige RadioaktivistInnen sehen in diesem Modell jedoch die Gefahr, im Sinne guter alter sozialdemokratischer Vereinnahmung ruhig gestellt zu werden. Auch widerspricht die Organisationsform des OK mit all seinen Gremien und seinem Direktorium der Idee eines nicht hierarchischen, selbstbestimmten und basisdemokratischen Projekts, dessen Struktur eine wirkliche Vielheit wachsen lassen könnte.

Für ein freies Radio in Berlin ist der Weg noch lang. Bis dahin lohnt es sich, das Radio immer freitags ab 18 Uhr einzuschalten. Dann werden die PiratInnen regelmäßig den Äther auf 95,2 MHZ besetzen und »den Mythen von Objektivität, Wahrheit und Perfektionswahn« entgegenfunken.