Hinter der Leinwand

Proteste der Intermittents du Spectacle in Cannes

Eine der Premieren auf dem diesjährigen Festival von Cannes war eine ganz besondere. Zuvor nie gesehen hatte man, dass Proteste innerhalb der Kulturwelt sich während des prestigereichen Festivals mit sozialem Protest von außerhalb verbinden. Beispielsweise legten, um gegen ihre Arbeitsbedingungen zu protestieren, viele Mitarbeiter des Luxushotels Carlton die Arbeit nieder. Etwas Derartiges – das Carlton beherbergt prominente Gäste – hatte es zuletzt 1971 gegeben. Dieses Mal aber vermengte sich der Unmut der Niedriglohn-Beschäftigten mit jenem der Intermittents du Spectacle, der eine prekäre wirtschaftliche Existenz führenden Kulturschaffenden, die seit einem Jahr gegen den drohenden Entzug ihrer Überbrückungsgelder aus der Arbeitslosenkasse ankämpfen.

Dass der Protest der »Kulturprekären« sich auch im Rahmen des Cannes-Festivals niederschlagen würde, war abzusehen. Denn unter den rund 30 000 TeilnehmerInnen des Festivals (unter ihnen 4 000 MedienvertreterInnen) befinden sich auch 500 intermittents, die an so manchem der gezeigten Filme mitgewirkt haben oder als Techniker in Cannes arbeiten.

Um handfesten Störungen vorzubeugen, versuchte die Festivalleitung, einen Kompromiss auszuhandeln und den Ausdruck des Unmuts in geordnete Bahnen zu lenken. So organisierte sie am Mittwoch eine montée des marches intermittente: Ein Dutzend der Kulturprekären durften, im vorschriftsmäßigen Smoking oder Abendkleid, die berühmte Treppe von Cannes hochsteigen, an der auch die Verleihung der Goldenen Palme stattfinden wird. Gleichzeitig stellten sie die Forderung an die Regierung, ihre regressive und viele prekäre Kulturschaffende in ihrer Existenz bedrohende Politik zu überdenken.

Weitere rund 300 intermittents, die auf eigene Kosten und ohne Einladung angereist waren, wollten sich auf keine Kompromisse einlassen. Sie besetzten spontan den kiosque à musique, der ganz in der Nähe des Festivalpalasts liegt und für musikalische Aufführungen bestimmt ist, um ihn zu ihrem provisorischen Hauptquartier umzufunktionieren. Kurzzeitig besetzten sie auch den Hafen von Cannes und schmückten ihn mit ihrer Forderung: »Abrogation!«, also »Abschaffung« der so genannten Reform.

Unterstützung für die Proteste gab es auf dem Festival selbst von einigen Prominenten, darunter die »üblichen Verdächtigen« wie Ken Loach oder Michael Moore. Aber auch renommierte französische Filmemacher wie die Regisseurin und Schauspielerin Agnès Jaoui schalteten sich aktiv ein. Frankreichs Kulturminister Renaud Donnedieu de Vabre spielte unterdessen, einmal mehr, auf Zeit. Er stellte in Aussicht, in drei Wochen eine Untersuchung zu veröffentlichen, aus der die genaue Zahl der in ihrer sozialen Existenz bedrohten intermittents hervorgehen soll. Zeitverschwendung nennen das viele der Betroffenen.

bernhard schmid