»Ihr einziges Ziel ist, dich abzuschieben«

Justice D.*

Am Mittwoch, dem 26. Mai, soll es zu einer Massenabschiebung vom Hamburger Flughafen nach Togo kommen. Viele der Afrikaner, die in ganz Deutschland auf ihre Abschiebung nach Togo warten, befürchten dort das Schlimmste. Immer wieder würden aus Deutschland Abgeschobene nach der Ankunft verhört und gefoltert, heißt es. In Togo ist seit 1967 der Präsident Sergient Étienne Eyadéma an der Macht. Nach Angaben von Amnesty International herrsche in dem Land »ein Klima von Straflosigkeit für Mord, Folter und andere Menschenrechtsverletzungen«.

Justice D.* sitzt seit neun Monaten in Abschiebehaft in Berlin-Köpenick. Er hat bereits seinen Abschiebebescheid für den 26. Mai erhalten. Mit ihm sprachen Niklas Luhmann und Stefan Wirner.

Sie sollen am Mittwoch nach Togo abgeschoben werden?

Ja, obwohl ich gar nicht aus Togo bin. Ich komme von der Elfenbeinküste.

Warum will man Sie dann nach Togo bringen?

Als ich in Deutschland verhaftet wurde, wollte ich nicht sagen, dass ich von der Elfenbeinküste komme. Ich hatte viele Probleme dort. Deshalb gab ich als Herkunftsland Togo an. Die Botschaft von Togo in Bonn stellte das nötige Reisezertifikat für mich aus, sodass ich dorthin abgeschoben werden kann.

Wie kamen Sie von der Elfenbeinküste nach Deutschland?

Ich floh erst nach Ghana und kam dann mit einem Schiff nach Hamburg. Das war im August 2003. Von Hamburg fuhr ich nach Berlin, wo ich bereits nach drei Tagen verhaftet wurde. Ich war bei einem Freund untergekommen. Er musste zur Arbeit, und ich begleitete ihn. Nicht um zu arbeiten, einfach weil ich nicht wusste, was ich tun sollte. Mein Freund erledigte Gartenarbeiten. Es war um 9.30 Uhr, als plötzlich Polizisten das Haus und den Garten, wo wir uns befanden, umstellten. Da ich keine Papiere hatte, wurde ich verhaftet. Man verhörte mich und nahm mir Fingerabdrücke ab. Seit neun Monaten sitze ich jetzt in Köpenick.

Warum verließen Sie die Elfenbeinküste?

Es gibt viele Probleme an der Elfenbeinküste. Im Norden gibt es Aufständische, dort herrscht Bürgerkrieg. Ich selbst war auf vielen politischen Treffen, beteiligte mich an Streiks und Demonstrationen. Es ist nicht gut, was die Regierung mit uns macht.

Ich habe in Russland als Stipendiat Elektrotechnik studiert. Als ich zurückkam, fand ich keine Arbeit. Wir demonstrierten für das Recht auf Arbeit und medizinische Versorgung.

Uns wurde immer gesagt, wir müssten die Demokratie aufbauen. Mein Lehrer in der Schule sagte, man müsse dafür kämpfen. Und wir kämpften für die Demokratie. Hier in Deutschland sagen sie nun: Du bist kein politischer Flüchtling, sondern ein Wirtschaftsflüchtling. Aber Politik und Wirtschaft sind nicht zu trennen, sie gehören zusammen. Wenn du in Deutschland streikst, wirst du nicht eingesperrt. Wenn du an der Elfenbeinküste streikst, bist du sofort ein Gegner des Staates, des Systems.

Was würde passieren, wenn Sie an die Elfenbeinküste zurückkehren müssten?

Dort würde ich wahrscheinlich sofort eingesperrt.

Und in Togo?

Ich weiß nicht, was in Togo passieren wird. Aber die Situation dort ist auch nicht besser als an der Elfenbeinküste. Es kamen viele Flüchtlinge aus Togo zu uns. Überall in Afrika gibt es diese Probleme, in Liberia etc.

In Togo ist die Unterdrückung groß. Der togolesische Präsident Eyadéma kam im Jahr 2000 zur Expo nach Hannover. Dort wurde er von Exiltogolesen mit Eiern und Tomaten beworfen. Seither ist jeder Flüchtling, der aus Deutschland nach Togo zurückkommt, verdächtig. Und nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Studenten und andere Reisende. Sie vergleichen Fotos und Filme, sie foltern dich, damit du sagst, was sie hören wollen. Ich mache mir große Sorgen um die Leute, die jetzt nach Togo müssen oder schon zurückgebracht wurden.

Sie sollen sich schon einmal gegen eine Abschiebung gewehrt haben.

Ja. Das war Anfang März. Ich wurde nach Hamburg gebracht, um dort mit einer Passagiermaschine ausgeflogen zu werden. Ich wurde eine Stunde vor den anderen Passagieren ins Flugzeug gebracht. Dort begann ich, mich zu wehren und zu schreien. Als der Pilot bemerkte, dass ich mich sträubte, weigerte er sich, mich mitzunehmen. Also mussten sie mich wieder hinausbringen. Die Polizisten waren so verärgert über mich, dass sie mich eine Treppe hinunterstießen. Dabei verletzte ich mich am Knie. Man brachte mich zurück nach Köpenick, wo man mir nur eine Salbe für das Knie gab. Es dauerte vier Wochen, bis eine Röntgenaufnahme gemacht wurde. Mein Anwalt hatte das durchgesetzt.

Der behandelnde Arzt fragte mich, warum ich nicht nach Togo zurück wolle. Ich sagte ihm, er sei ein Mediziner und solle sich um die Kranken kümmern und nicht solche Fragen stellen.

Wie finden Sie den Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland?

Ich hätte nie gedacht, dass ich in Deutschland monatelang eingesperrt werde, nur weil ich ohne gültiges Visum hier bin. Ich habe nichts verbrochen. Ich habe niemanden umgebracht, ich habe mich nicht an Straßenkämpfen beteiligt. Ich bin nur inhaftiert, weil ich keine Papiere habe. Das kann ich nicht verstehen.

Die deutsche Regierung muss unbedingt ihre Politik ändern. Ich bin nicht als Tourist gekommen, ich bin gekommen wie viele andere, weil ich Probleme in meinem Land hatte. Wenn ich dort leben könnte, würde ich an der Elfenbeinküste bleiben. Aber das können die Behörden hier nicht verstehen. Vor Gericht sagte eine Frau der Ausländerbehörde zu mir: Sie sind doch alt genug, Sie können sich selbst helfen, Sie sind kein Junge mehr. Sie kennt das Leben nur aus dem Fernsehen. Sie kennt nicht die Wirklichkeit, sie weiß nicht, wie es ist, sein Land verlassen zu müssen, von der Familie getrennt zu sein, auf der Flucht. Sie interessieren sich nicht für deine Geschichte. Ihr einziges Ziel ist es, dich möglichst schnell abzuschieben.

Wie sind die Haftbedingungen in Köpenick?

Es gibt Zellen mit sechs Personen, mit vier oder mit zwei. Alle Nationen sind gemischt. Man bekommt 28,62 Euro im Monat, davon kann man sich etwas kaufen: Zigaretten, Shampoo, Reis. Man kann die B.Z. kaufen oder türkische Zeitungen. Besucher von der Initiative gegen Abschiebehaft brachten mir ein paar Mal Le Monde mit. Ein Pfarrer brachte mir eine Bibel.

Wie ist das Essen?

Mal ehrlich: Als Afrikaner kann ich nicht sagen, dass das Essen schlecht sei. Es ist anders.

Wie kommen Sie mit den Wärtern zurecht?

Wir versuchen, sie zu verstehen, und sie versuchen, uns zu verstehen. Ein paar von ihnen sprechen ein paar Worte Englisch.

Werden Sie sich noch einmal gegen die Abschiebung wehren?

Das wird dieses Mal unmöglich sein, weil es sich um einen reinen Abschiebeflug handelt. Es werden nur Flüchtlinge im Flugzeug sitzen. Da ich mich schon einmal gewehrt habe, befürchte ich, dass sie mich fixieren und fesseln werden.

Ich hoffe, dass ich in Togo keine Probleme am Flughafen bekomme und man mich nicht festnimmt. Ich will nicht in Togo bleiben, ich will in ein anderes Land. Oder an der Elfenbeinküste versteckt leben.

* Name von der Redaktion geändert