Mit Biertechno zur Revolution

Die Allstar-Combo Das Bierbeben aus Hamburg und Berlin setzt auf die Botschaften des klassischen Politpunks und ersetzt dabei den Punk durch Techno. von sami khatib

Während bereits im Zeitalter der technisch reproduzierten Kunstwerke selbst ein Feingeist wie Walter Benjamin eine »von allen magischen Elementen gereinigte Sprache« lobte, meinte auch Bert Brecht: »Die Hauptsache ist, plump denken zu lernen. Plumpes Denken ist das Denken der Großen.«

Die Hamburg-Berliner Gruppe Das Bierbeben, auch nicht gerade für verbale Akrobatik bekannt, weist das Adjektiv »plump« im Zusammenhang mit der eigenen Arbeit zwar weit von sich, auf eine gewisse textliche Schlichtheit setzt sie aber dennoch. Mit den bisherigen Maxis »Wir sind« und »Mach deinen Fernseher kaputt« hat sich das trinkfreudige Quintett mit den Mitteln des Techno des brachliegenden Erbes des Deutschpunks angenommen. Intelligentes Plumpsein definiert sich hier als Stilmittel der Reduktion, ohne den Anspruch auf politische Agitation aufzugeben.

Im Gegenteil. Das Bierbeben will seinen Zeigefinger gerade dort erheben, wo er möglichst allen unangenehm ins Auge sticht. Aber keine Sorge, Bierbeben hat trotz textlicher Nähe nichts mit einer Stumpf-Version des Medienapokalyptikers und Deutschlehrer-Helden Neil Postman am Hut; eher vielleicht mit einem hochprozentigen Soundtrack für autodestruktive Echtzeitpunks. Wer jetzt an Electroclash, Chicks On Speed oder wohltemperiertes Rebellentum für T-Shirt-TrägerInnen mit Hamburg- oder Berlin-Schriftzügen denkt, irrt vielleicht weniger, als es dem Bierbeben lieb ist. Gerade aber dieser Klientel rufen die Bierpunker gerne Parolen wie »Ihr seid Räder im Getriebe der Maschine, die euch plattwalzt« ins blasse Gesicht. Ob der gemeine Raver jedoch solche hintergründigen Anspielungen als Ansatz bierseliger Erkenntnistheorie, Anti-D-Statement oder Subjektdekonstruktion dechiffrieren kann, weiß das Bierbeben letztlich leider auch nicht so genau.

Obwohl sich die Band Das Bierbeben nennt, muss vermutet werden, dass beim Aushecken des Bandkonzepts nicht nur Alkohol mit im Spiel war. Ungeachtet aller Alkipop-Referenzen handelt es sich bei dieser Formation um einschlägig poplinks geschulte Leute mit gut sortierten Deutschpunkplattensammlungen. Musikalisch präsentiert sich das gerade erschienene Bierbeben-Debütalbum »No Future No Past« als trinkfester Rabaukentechno mit smarten Vocals. »Reih dich ein« oder »Neigt eure Köpfe« lauten die Parolen, die die beiden Bierbeben-Sängerinnen unters Partyvolk bringen wollen. Als entsprechendes Label für die Verbreitung derartiger Botschaften zeichnen die Berliner Technopunks und Electrofrickel-Connaisseure von Shitkatapult verantwortlich, deren Aushängeschild, T. Raumschmiere, selbst für seine Punkaffinität bekannt ist.

Wer sich beim Bierbeben tatsächlich hinter den Pseudonymen »Alfred Bierlek«, »Wolf Dosenbiermann«, »Brian Vino«, »Der Osten« und »Der Westen« verbirgt, kann nur erahnt werden. Es handelt sich jedenfalls um Bandmitglieder von Tocotronic, Stella, Phantom/Ghost, den Pop Tarts und Gary, mehr möchten die Herren Dosenbiermann und Bierlek zum Interviewtermin nicht preisgeben. »Der bewährten Devise folgend, dass Namen Schall und Rauch sind, und aufgrund der Tatsache, dass die Verwendung der bürgerlichen Namen der antibürgerlichen Haltung des Projektes Das Bierbeben diametral entgegenstünde, haben wir uns entschieden, diese Pseudonyme beizubehalten«, sagen sie.

Kommen wir zum politischen Sendungsbewusstsein der Gruppe. Dass sich an Punk geschulter Schaffeltechno und Antideutschlandpropaganda unter dem Bierbeben-Logo, einem doppelt durchgestrichenen Bundesadlerbanner, treffen, kann mit Blick auf die erwähnten Traditionslinien der Band nicht weiter überraschen.

»Die logische Weiterführung, ja die Perfektion der Grundideen der Ton Steine Scherben gelang nur einer einzigen deutschen Band, die quasi die Essenz des Politrocks ist. Es handelt sich hierbei um die Band Cotzbrocken aus Köln«, gibt Bierlek zu Protokoll. Wenn man sich hier also auf eine »inkorrekte«, letztlich randständig gebliebene Deutschpunktradition (siehe auch KFC, Betoncombo etc.) beruft, will man aber gleichzeitig von der Kernidee des Polit-Punkrocks, eben politische Inhalte zu verbreiten, nicht ganz ablassen. Herr Dosenbiermann versucht, diesen Umstand folgendermaßen zu erklären: »Die Idee des Polit-Punkrock gab es ja leider vor allem in den Köpfen der Ausführenden. Dass sie größtenteils lediglich Erwartungshaltungen eines wie auch immer gearteten Auditoriums bediente, war und ist letztlich die Crux dieser Art sich belehrend gebender Musik. Der semipädagogische Anspruch von Das Bierbeben speist sich aus der Tatsache, dass große Teile der Techno-Szene in apolitischer Lethargie dahinvegetieren. Unser bildungspolitischer Auftrag erschöpft sich darin, dass wir aus der ravenden Masse eine revolutionäre Kraft machen wollen.«

Nun, bekanntermaßen haben die Ravermassen von Haus aus nicht wirklich was mit den Anliegen der Revolution am Hut und zählen eher zu den agitationsresistenten Politsubjekten. Nach drei Korn jedoch, das ist allgemein bekannt, kann die Welt schon ganz anders aussehen. Das Motto von Bierbeben könnte man also so nennen: »Turn beer into politics.« Ob die avisierten Adressaten des Bierbebens nicht nur deren Parolen, sondern auch die entsprechenden Subtexte wirklich entschlüsseln können, ist für die Band in der konkreten Clubsituation nicht wirklich entscheidend. Auf der Bühne geht dem Bierbeben Bier eindeutig über Politik.

Politische Gegner hat Bierbeben viele ausgemacht und ihr Feindbild schließt in guter Punktradition Hippies und Friedenspopper mit ein. So bleibe einstweilen nur das Label »antideutsch«, um sich irgendwie als Bastion bierseliger Techno-Agitation selbst zu verorten. Bierlek: »In Zeiten, in denen eine Bewegung, die sich als links bezeichnet, Hand in Hand steht mit christlichen Kerzenhaltern und schwarzbraunen wie grünen und roten Friedensaposteln, die doch nur den amerikanischen Teufel an die Wand malen und denen es nur darum geht, Europa und insbesondere Deutschland zur neuen, angeblich besseren Weltpolizei zu machen, ist die Bezeichnung ›antideutsch‹ vielleicht die einzig erträgliche. Die Friedenshippies in der Popmusik sind ebenso nur mehr die nützlichen Esel vor dem deutschen Karren, von denen mit Sicherheit jeder mit stolz geschwellter Brust das Bundesverdienstkreuz entgegennehmen würde.«

Angesichts derartiger Statements verwundert es natürlich nicht, dass sich erklärte Parteigänger der Band auch im Milieu derer finden lassen, die sich vor einiger Zeit noch »Popantifa« nannten, antideutsch denken und ansonsten gegenüber den Vorzügen der angloamerikanischen Kulturindustrie aufgeschlossen sind. Auf antideutschen Demos gehört der Track »Deutschlands Mauern fallen« jedenfalls schon zum Standardprogramm. Und genießt inzwischen beinahe einen ähnlichen Stellenwert wie einst Slimes Klassiker »Deutschland muss sterben«. Nur erklingt zur Message nun eben nicht mehr abgestandener Punkrock, sondern feiner Techno.

Das Bierbeben: No Future No Past. Shitkatapult/Kompakt. Die Album-Release-Party findet am 29. Juni in der »Maria« in Berlin statt.