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Freies Schlagzeugspiel

Zum Tod von Elvin Jones. Spätere Platten von John Coltrane, auf denen der Meister des elegischen Saxophons immer freier wurde und Meilensteine des Free Jazz schuf, sind zwar auch in die Jazzgeschichte eingegangen, doch als Höhepunkt seines Schaffens gilt »A Love Supreme« von 1964. Die Platte ist perfekt, Coltranes Spiel klingt wie nicht von dieser Welt und seine Combo umzärtelt sein Saxophon wie eine Gruppe frisch Verliebter. Schlagzeuger des Coltrane-Quartetts war damals Elvin Jones, der es als einer der wenigen des Jazz schaffen sollte, sich als Taktgeber hinter dem Schlagzeug dem Schatten der stets übermächtigen Bandleader zu entwinden.

Jones war Hardbopper, Free Jazzer und als Protagonist des radikalen Jazz in den Sechzigern galt er als eine der Ikonen des damals neu erwachenden Selbstbewusstseins der Afroamerikaner, für die die Erneuerung des Jazz gleichbedeutend mit der Erneuerung ihrer politischen Forderungen war. Die neuen Freiheiten des Jazz sollten sich auch gesellschaftlich niederschlagen. Wobei man dies heute beinahe mehr zu schätzen weiß als damals, wo die Avantgarde des Jazz weitgehend unter sich blieb.

Wie so viele Größen des Jazz war auch Jones Autodidakt. Sein Stil sollte dennoch Vorbild für Generationen von Nacheiferern werden. Jones spielte hart und aggressiv und konnte begnadet improvisieren. Nach seiner Zusammenarbeit mit John Coltrane veröffentlichte er immer öfter Platten unter eigenem Namen, unter anderen auf solch rennomierten Labels wie Blue Note und Impulse. Später war er vor allem mit seiner eigenen Band Jazz Machine unterwegs, trat aber immer wieder auch mit anderen Giganten des Jazz, etwa mit dem Pianisten Cecil Taylor, gemeinsam auf.

Mit Elvin Jones ist nun eine der Legenden des freien Jazz verstorben. Letzte Woche erlag er im Alter von 76 nach langer, schwerer Krankheit einem Herzversagen.

Schwul, aber nicht verheiratet

Schwulenehe in Frankreich. Als ehemaliger Fernsehjournalist weiß Noël Mamère, wie man die Aufmerksamkeit der Medien erregen kann. Der grüne Bürgermeister von Bègles bei Bordeaux, der sogar einmal Präsidentschaftskandidat war, hat nun Monate im Voraus angekündigt, dass er in »seinem« Rathaus zwei homosexuelle Männer verheiraten werde. Der Code civil sei bisher nur falsch interpretiert worden, meint Mamère. Seltsam ist, dass Mamère zugleich angibt, er habe die Betreffenden (über die er nur sagt: »es gibt einen Dicken und einen Dünnen«) dazu aufgefordert, auf Anfragen von Medien möglichst keine Stellungnahmen abzugeben und diskret zu bleiben, da der mögliche Rummel ihnen schaden könne.

In der politischen Landschaft Frankreichs hat diese Initiative für Aufregung gesorgt. Bei den Sozialdemokraten sprach sich flugs auch der ehemalige Wirtschaftsminister Dominique Strauss-Kahn (DSK), Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur 2007, für die Homosexuellenehe aus. In Windeseile und ohne größere Debatte schwor er auch den Vorstand seiner Partei auf seine Position ein. Hinter vorgehaltener Hand zeigen aber einige führende Sozialdemokraten Bauchschmerzen, auch Henri Emmanuelli vom so genannten linken Flügel. Der meinte nun: »Die Sozialliberalen (zu denen er DSK zählt) lancieren immer solche gesellschaftspolitischen Debatten, damit sie nicht von sozialen Themen reden müssen.«

Richtig bitter wurde es dann, als sich die sozialdemokratische Sphinx – der frühere Präsidentschaftskandidat Lionel Jospin, der sich seit seinem Scheitern mehr oder weniger aus der Politik zurückgezogen hat – in der Sonntagszeitung »JDD« zu Wort meldete. Der sittenstrenge Protestant wollte sich zwar als Gegner der Homophobie positionieren, verwarf aber die Initiative zur Homoehe, da man seiner Ansicht nach Schwulsein und eine Institution wie die Ehe nicht miteinander vermischen solle. Präsident Jacques Chirac wiederum äußerte Befürchtungen hinsichtlich einer möglichen öffentlichen Debatte zu diesem Thema. Er hat Angst, weiß er doch, dass sich in seinem eigenen konservativen Lager »immer zwei oder drei Deppen, die ihren homophoben Hassgefühlen öffentlich freien Lauf lassen«, finden.

Fesselspiele und mehr

Leipzig. Vor einer Woche, als die olympische Hybris noch nicht ausgeträumt war, fand es kaum eine lokale Tageszeitung erwähnenswert, von einer anderen bedeutenden Leipziger Kampagne als der für Olympia zu berichten. Statt für sportliche Schweißtreiberei kämpft der Verein Leipzig Ehren für eine Würdigung des Schriftstellers Leopold von Sacher-Masoch (1836–1895), der mit seinem Buch »Venus im Pelz« als Vater des lustvollen Gezüchtigtwerdens bekannt wurde. Zwar war Sacher-Masoch Österreicher, aber immerhin fünf Jahre hat er es in Leipzig ausgehalten, und das sollte der Stadt schon eine Gedenktafel wert sein.

Der Verein, dem unter anderen der Historiker und Vorsitzende des PDS-Stadtverbandes, Volker Külow, angehört, ist außerdem bestrebt, mit der Freudschen Verunglimpfung des Sado-Masochismus aufzuräumen und Sacher-Masoch aus der »Nische erotischer Weltliteratur« zu befreien. Der Stilist habe nämlich in Leipzig als Herausgeber der Literaturzeitschrift Auf der Höhe und als Chronist jüdischen Lebens viel geleistet. Wiedergutmachung scheint auch dringend angeraten. Denn nicht genug, dass Masoch in Leipzig sein Vermögen und seine Frau an einen Heiratsschwindler verloren habe. Eine antijüdisch gefärbte Verleumdungskampagne trieb den Autor schließlich ins hessische Exil, wo er sich bis an sein Lebensende gegen den Antisemitismus der dortigen Landbevölkerung engagierte.