Stay Punk
und geht wählen!

Stoppt Bush, fordern US-Bands auf einer Compilation. von jens thomas

Der amerikanische Präsident hat es nicht leicht: »Rock against Bush Vol. 1« heißt die CD, extra für und gegen den amerikanischen Präsidenten produziert, und ein ganzes Netzwerk steckt dahinter: Punkvoter, ein Bündnis diverser Bands und Labels aus den USA, initiiert von Fat Mike, dem Sänger der US-Band NOFX, der auch das Label Fat Wreck Chords betreibt.

Das klingt erstmal nicht sonderlich außergewöhnlich, gegen Bush sein, aha. Das Interessante daran ist, dass die US-Punkbewegung damit die Jugend an die Wahlurnen holen will. »Die Gruppe der 18- bis 25jährigen wählt einfach nicht«, sagt Fat Mike. Ziel sei es darum, so die Info auf der Homepage von Punkvoter, »to educate today’s youth about what is really going on in Washington DC and how we can collectively force change«. Und darum legt man der verdrossenen Jugend als punkpädagogische Maßnahme auch gleich eine komplette Aufklärungs-DVD mit sämtlichen Infos zur CD bei. Zu sehen sind Filme, mit denen die widersprüchlichen und falschen Darstellungen der Regierung aufgedeckt werden sollen. Nach dem Motto: »What’s worse than George Bush being an idiot? Allowing to be ruled by him. Vote.«

26 Bands mischen auf »Rock against Bush« mit. Von den Rock’n Roll-Schmuse-Punkern Social Distortion, den gefühlswarmen College-Emo-Helden The Get up Kids bis zu den Bravo-Abziehbildchen-Punks Offspring. Und alle haben im Grunde nur ein Ziel: Bush soll aufgeben, 26 gegen einen, wie gemein eigentlich.

Ist damit das Zeitalter des neuen Politpunks angebrochen, wie die Musikzeitschrift Visions kürzlich lauthals unter dem Titel »Bush sei Dank!« folgerte? »Punk und Politik. Früher bedeutete das besetzte Häuser, anarchistische Visionen, wilden Situationismus oder radikale Strenge. Heute dagegen blasen Bands wie Anti-Flag, Strike Anywhere oder NOFX-Sänger und Labelpapst Fat Mike zum Aufstand gegen die Bush-Regierung«, heißt es in der Visions.

In der Tat: In Amerika ruckt es ordentlich. Nach Jahrzehnten anarchistischer Visionen und derber Totschlagsargumente geben sich weite Teile der Musikszene realpolitisch, es scheint nur eine Wahl zu geben: die nächste Wahl. Und weil das so spannend ist, hat sich gleich eine kleine Gegeninitiative gebildet: www.conservativepunk.com nennt sich ein neus Bündnis, das ausnahsweise mal nicht gegen, sondern für George W. Bush mobiliseren will. Punk darf in Wahlkampfzeiten also durchaus mal konservativ rumpoltern. Die Frage, ob Demokraten oder Republikaner, spaltet die US-Szene. Doch von einer »Repolitisierung des Punkrocks« zu sprechen, wie die Visions der Szene attestiert, ist sicherlich etwas allgemein gehalten. »Fun ist out, politische Statements sind in«, heißt es dort lapidar.

Es stimmt, dass gerade im Fun-Sektor Melodie-Punk/Hardcore wieder ein bisschen Politik vorkommen darf, also genau bei jener Spezies, die Punk in den kombinationsfreudigen neunziger Jahren aus der Ecke der Totalverweigerer herausgeholt hatte und ihn auch für sportliche Baggypants-Fans spaßig erschienen ließ. Ganz allgemein von einer Repolitisierung zu sprechen, hieße jedoch auch, dass es vormals eine Entpolitisierung im Punk gegeben hätte. Die gab es aber nie. US-Bands aus dem Umfeld von Fugazi waren immer politisch und sind es heute noch, auch hierzulande setzt man immer wieder gerne auf eine neue Ausgabe der Compilation-Reihe Schlachtrufe BRD (sind die denn wirklich politisch?).

Und doch ist es beachtlich, was sich gerade tut. Punk macht in den Staaten Wahlkampf – ob für oder gegen Bush. Auf www.punkvoter.com hagelt es nicht nur Informationen über die derzeitige US-amerikanische Politik, es gibt auch etliche Links zu politischen Foren, zudem Kolumnen und Cartoons. Die amerikanische Szene ist gut vernetzt, und generell dominiert das Thema »Anti-Bushism« die Punk-Agenda 2004 – auch hierzulande.

Kommerziell ist Anti-Bushism eine erfolgsversprechende Strategie – der Dokumentarfilmer und Journalist Michael Moore hat es vorgemacht. Auffällig ist insgesamt, wie professionell die Punkbewegung in den Staaten geworden ist. Längst bekennt man sich zum eigenen Unternehmertum, die alten Do-It-Yourself-Debatten scheinen überstanden zu sein, von irgendwas muss man ja auch leben, so der Tenor. Fat Mike, Labelchef von Fat Wreck Chords, räumt zwar ein, manchmal ein schlechtes Gewissen zu haben, so viel Geld in diesem Gewerbe zu verdienen, findet aber auch: »Wir sind eine Vorbildsfirma.«

Punk und Politik verkaufen sich derzeit einfach gut. So haben auch Anti-Flag aus Pittsburgh nicht nur eine politische Infohomepage (www.undergroundactionalliance.org) ins Leben gerufen, sondern auch mit ihrer letzten Scheibe »The Terror State« in der ersten Woche gleich 40 000 Exemplare verkauft. »Erfolg muss nichts Falsches sein«, sagt Pat von Anti-Flag. Und er hat auch gleich einen Ratschlag parat: »Denk dir die Gesellschaft als Zug mit erster und zweiter Klasse. Viele Linke wollen die erste Klasse abschaffen. Wir wollen, dass alle in die erste Klasse können.« Kapitalismus für alle. Der amerikanische Traum übertragen auf ein altes Klassenbewusstsein. Na dann.

»Die Steuererleichterungen für Reiche betreffen auch mich«, gibt Fat Mike zu. Doch er räumt auch ein, dass er Geld gerne abgebe, wenn dieses in soziale Projekte fließt. Auch behandle man Bands bei Fat Wreck »sehr gut« und würde zudem viel Geld in die Szene investieren. Warum also die ganze Aufregung? Schließlich gilt in der Kulturindustrie: Nur wer groß rauskommt, kann auch viele Leute erreichen. So dreht man sich immerhin nicht im Kreise und belehrt nur die, die es eh ähnlich sehen.

Rock against Bush Vol 1 (Fat Wreck Chords/ SPV).

Infos unter: www.punkvoter.com; www.conservativepunk.com