Katholen-Ultras

Politische Morde in Mexiko

Ein Mord im Zeichen des Amboss? Vor sechs Wochen wurde in einem Randbezirk von Mexiko-Stadt der linke Aktivist Noel Pavel González tot aufgefunden. Die Leiche des Studenten wies eindeutige Folterspuren auf. Wenige Tage später gingen bei mit González befreundeten Studenten und der zapatistischen Guerilla EZLN nahe stehenden Organisationen Drohbriefe ein. »Scheiß-Zapatisten, wenn ihr so weitermacht, werdet ihr sehen, was ihr davon habt«, hieß es in den per Mail verschickten Briefen, in denen weitere Linke aus Mexiko-Stadt namentlich genannt wurden. Der Absender war die rechtsradikale Organisation »El Yunque« (»Der Amboss«).

Seit Wochen klagen Professoren, Publizisten und linke Aktivisten auf Demonstrationen und bei anderen Aktionen Aufklärung ein. Dennoch fehlt von den Verfassern des Briefes bis heute ebenso jede Spur wie von den Mördern González’. Der Anthropologiestudent war in zapatistischen Gruppen, an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (Unam) und der Anthropologischen Universität (Enah) politisch aktiv. Unter anderem war er durch seine Beteiligung am Streik gegen die Privatisierung des Bildungssystems an der Unam in den Jahren 1999 und 2000 bekannt. Sein Vater geht davon aus, dass er wegen seiner politischen Aktivitäten ermordet wurde. »Es war ein politisches Verbrechen.«

Die Eltern hatten Pavel zuletzt lebend am 19. April gesehen, danach sei er nicht mehr nach Hause gekommen. Am 23. April wurde die Leiche gefunden. Gerichtsmediziner stellten fest, dass er bereits am ersten Tag seines Verschwindens gefoltert und vergewaltigt wurde. Der Tod sei durch Schläge ausgelöst worden, die innere und äußere Verletzungen verursacht hätten, sagten die forensischen Ärzte. Danach sei der junge Mann aufgehängt worden. Offenbar sollte ein Selbstmord vorgetäuscht werden.

In den letzten Monaten ist es auf dem Gelände der Unam immer wieder zu Angriffen rechter Studentengruppen gekommen. Während einer Demonstration zum Gedenken an ein Massaker an Studenten im Jahr 1968 ging eine Gruppe im letzten Herbst mit Flaschen und Steinen gegen die Demonstrierenden vor. »El Yunque« kam im August vergangenen Jahres in die Schlagzeilen. Damals hatte der renommierte Journalist Alvaro Delgado in einem Buch nachgewiesen, dass die klandestine rechtsradikale und ultrakatholische Organisation eng mit Unternehmerverbänden und Parlamentariern der Partei der Nationalen Aktion (Pan) des Präsidenten Vicente Fox verbunden ist.

Es sei empörend, dass »im Demokratisierungsprozess des Landes solche Fälle weiterhin präsent sind«, so reagierten Professoren, Studenten, Angestellte und der Direktor der Enah auf den Mord. In einem offenen Brief forderten sie »die Aufklärung dieses Falles sowie der vielen anderen Fälle von Studenten, die wegen ihrer Aktivitäten verschwunden sind oder ermordet wurden«.

Tatsächlich erinnert die Tat nicht nur an die mindestens 500 Morde an Oppositionellen während des »schmutzigen Krieges« der siebziger Jahre, die bis heute nicht aufgeklärt wurden. Morddrohungen sind in Mexiko weiterhin auf der Tagesordnung, und immer wieder werden Linke oder Menschenrechtler umgebracht. So »verschwand« im April 2003 in Oaxaca die Indígena-Aktivistin Marcelino Santiago Pacheco. Nach Angaben des Komitees der Vereinten Nationen gegen Folter vom Mai 2003 wird in Mexiko weiterhin von Polizeikräften systematisch gefoltert. Außerdem komme es immer noch zu »außergerichtlichen Hinrichtungen« von Oppositionellen.

wolf-dieter vogel, mexiko-stadt