Stehauf-Imam

Auch Frankreich versucht, »Hassprediger« abzuschieben von bernhard schmid, paris

Islamistische Vorbeter aller Länder, vereinigt euch in euren Herkunftsländern? Vorige Woche sorgten Versuche von Sicherheitsbehörden in Deutschland, Frankreich und Großbritannien, einzelne Islamisten über die Landesgrenze zu schaffen, für Schlagzeilen. Bereits am 21. April war der bisher in der Lyoner Vorstadt Vénissieux tätige Vorbeter Abdelkader Bouziane abgeschoben worden. Am vorletzten Samstag war er allerdings schon wieder in Frankreich. Seine Abschiebung war illegal.

Anfang April hatte das Stadtmagazin Lyon Mag, das für seinen zweifelhaften Sensationsjournalismus bekannt ist, ein Interview mit dem Imam publiziert. Darin soll er sich, so das Magazin, für die Steinigung fremd gehender Ehefrauen ausgesprochen haben. Eine andere Darstellung lautet allerdings so: Bouziane habe das französische Wort für Steinigung (lapidation) nicht verstanden; daraufhin habe die Interviewerin ihm erklärt, dass man dabei seine untreue Ehefrau prügele. Welche Version die richtige ist, soll jetzt eine gerichtliche Auswertung der Tonbänder klären. Fest steht, dass Bouziane sich darüber ausließ, was dazu im Koran stehe. Dieser schreibe Schläge vor, während die Steinigung im Alten Testament der Bibel steht. An mehreren Stellen setzte Bouziane hinzu, in Frankreich hätten Moslems das französische Gesetz zu respektieren.

Das Interview blieb zunächst unbeachtet, doch dann interessierte sich die Polizei plötzlich für den Fall. Man vermutete, dass Bouziane im Kontakt mit Terroristen stehe. Kurz darauf saß er im Flugzeug nach Algier. Vier Tage zuvor war bereits ein Vorbeter aus Brest abgeschoben worden. Innenminister Dominique de Villepin hatte bewusst die Medien eingeschaltet. Doch die angeblichen Beweise, anonyme Polizeidokumente voller Gemeinplätze, waren den Gerichten zu dürftig, und so kehrte Bouziane also wieder zurück – eine peinliche Schlappe für die französische Regierung.

In einem Gastkommentar in Libération kritisieren die französischen Feministinnen Maud Gelly, Suzy Rojtman und Maya Surduts »eine Vereinnahmung des ernsten Themas ›Gewalt gegen Frauen‹ durch die Regierungspolitik«, die ansonsten nicht sehr darum besorgt sei. In Frankreich sterben pro Monat sechs Frauen durch eheliche Gewalt, die größtenteils nicht auf Imame zurückgeht. Die Autorinnen meinen, dass man das Problem sexistischer Gewalt nicht aus der französischen Gesellschaft auslagern solle, und fügen hinzu: »So reaktionär und frauenfeindlich er auch ist: Herr Bouziane hat das Anrecht auf einen Prozess, wenn er gesetzwidrige Äußerungen abgibt.« Einen solchen Prozess in Frankreich erhält er jetzt; er beginnt an diesem Donnerstag.

Andere Hintergründe haben die Fälle von Metin Kaplan in Köln, der in den neunziger Jahren zur Ermordung eines Rivalen aufgerufen haben soll, und des letzte Woche in London verhafteten Predigers Abu Hamza. Letztgenannter unterhielt tatsächlich seit Jahren Kontakt zu Terrorgruppen, etwa den algerischen »Bewaffneten islamischen Gruppen« GIA. Die USA, deren Geheimdienste früher gute Kontakte zu dem ehemaligen Afghanistankämpfer gegen die Sowjets unterhielten, verlangen jetzt seine Auslieferung.

Abschiebung statt eines Strafprozesses im eigenen Land, das ist grundsätzlich eine rassistische und höchst fragwürdige Lösung. Denn warum sollte man den Menschen in Algerien oder der Türkei Zeitgenossen zumuten, die dort vielleicht mehr Schaden anrichten könnten als hierzulande?