Da lacht die Sonne

Auf der Bonner Konferenz »Renewables 2004« wurden wohlfeile Aktionspläne beschlossen. von anke schwarzer

Tausende Tonnen Kerosin haben sie verflogen, um nach Bonn zu kommen: Über 3 000 Vertreter aus 150 Ländern, darunter Minister, Parlamentarier, Vertreter zahlreicher nationaler und internationaler Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen und multinationale Organisationen wie die Weltbank, nahmen vergangene Woche an der Konferenz »Renewables 2004« teil. Biodiesel-Shuttles transportierten die Gäste dort von einem Kongressort zum anderen. Man traf sich vier Tage lang, um über die Förderung alternativer Energiequellen zu beraten.

Die Energienachfrage, insbesondere in den Schwellenländern, nimmt rasant zu. Die »natürlichen Lebensgrundlagen« müssten geschützt, die Beeinflussung des Klimasystems muss verringert werden. So weit ist man sich auf internationalen Konferenzen einig. Auch die Energiearmut in den Entwicklungsländern ist eine große Herausforderung: Einem Drittel der Erdbevölkerung fehlen Energieträger jenseits der traditionellen Brennstoffe.

Die Konferenz »Renewables 2004« war Armutszeugnis und hoffnungsvolles Zeichen zugleich. Denn die Technik, um regenerative Energie zu nutzen, ist schon lange ausreift, nur lässt die Energiewende auf sich warten. Schließlich bedroht sie die wirtschaftlichen Interessen großer Stromerzeuger und Firmen der Öl-, Gas- und Atombranche. Auf dem UN-Gipfel zur »nachhaltigen Entwicklung« im Jahr 2002 in Johannesburg konnten sich die Teilnehmer nicht auf Quoten und einen verbindlichen Zeitplan einigen.

Immerhin bietet die Bonner Konferenz nun, wenn auch sehr spät, neue Impulse für die Nutzung der erneuerbaren Energien. Um zu verhindern, dass einzelne Staaten gemeinsame Beschlüsse blockieren können, wird diesmal auf Freiwilligkeit gesetzt. »Ich setze im Übrigen auch auf das aufgeklärte Eigeninteresse aller Beteiligten, denn ich bin es allmählich Leid, dass man immer, wenn der Ölpreis steigt, davon redet, dass wir unabhängiger vom Öl werden müssen, aber die praktischen Konsequenzen doch nie gezogen werden«, sagte Heidemarie Wieczorek-Zeul, die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Umweltverbände kritisierten allerdings, dass der Aktionsplan, den die Konferenz verabschiedete, nur Altes neu verpacke. Viele der avisierten Projekte seien ohnehin geplant und zusätzliche Mittel kaum in Sicht.Bundeskanzler Gerhard Schröder kündigte immerhin an, dass die Bundesregierung von 2005 an für fünf Jahre 500 Millionen Euro bereitstellen will.

Weltweit lag nach Angaben der Internationalen Energie-Agentur (IEA) der Anteil regenerativer Energiequellen am Primärenergieverbrauch im Jahr 2001 nur bei fünf Prozent. Den Löwenanteil macht die Wasserkraft aus, vor allem in Lateinamerika und in den OECD-Staaten.

Erst vor kurzem kritisierte die EU-Kommissarin Loyola de Palacio, dass in den meisten europäischen Staaten zu wenig für die Förderung erneuerbarer Energien getan werde. Deren Beschluss aus dem Jahr 2001, ihren Anteil bis 2010 auf zwölf Prozent zu verdoppeln, sei schon jetzt nicht mehr zu verwirklichen. Auf dem »richtigen Kurs« lägen derzeit nur Dänemark, Deutschland, Finnland und Spanien, betonte Palacio, da diese Länder einen »attraktiven Rahmen« für die Förderung der neuen Energieträger geschaffen hätten.

Die Bundesregierung hatte bereits vor der Konferenz beschlossen, bis 2020 mindestens 20 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien zu gewinnen, bis zum Jahr 2050 sogar die Hälfte des gesamten Energiebedarfs. Insbesondere die Windkraft hat hierzulande in den vergangenen Jahren enorme Wachstumsraten zu verzeichnen. Nach Informationen des Bundesumweltministeriums stammten 2002 16 Prozent der gesamten regenerativen Energieproduktion in Deutschland aus Windkraft. Berechnet nach der Leistung zählt Deutschland mit den USA, Dänemark, Spanien und Indien zu den Top Five.

Rund die Hälfte der alternativen Energie in Deutschland stammt aus der festen Biomasse, vor allem Holz, zur Wärmeerzeugung. Platz zwei gehört der Wasserkraft mit 23 Prozent. Die hinteren Ränge belegen die Sonnenenergie (Photovoltaik 0,1 und Solarthermie 1,8 Prozent) und die Geothermie mit einem Prozent.

Auch die deutsche Solarbranche boomt, wenn auch auf niedrigem Niveau. Im vergangenen Jahr haben die deutschen Hersteller von Solarmodulen ihre Produktion von 38 auf 83 Megawatt gesteigert. Marktführer sind die japanischen Konzerne Sharp und Kyocera, gefolgt von den Solarfirmen der Ölkonzerne BP und Shell. Das novellierte und weltweit beachtete Gesetz zu den erneuerbaren Energien garantiert dem Strom aus Sonne höhere Einspeisevergütungen. Für Photovoltaik-Anlagen bis 30 Kilowatt gibt es knapp 58 Cents je Kilowattstunde. Zum Vergleich: Windanlagen auf dem Festland erhalten nur 8,7 Cents je Kilowattstunde.

Die Staaten Südamerikas und der Karibik haben im Herbst vorigen Jahres auf der regionalen Vorbereitungskonferenz für »Renewables 2004« festgelegt, bis zum Jahr 2010 zehn Prozent des gesamten Verbrauchs aus erneuerbaren Energien bereitzustellen. Die Region gehört damit zur Spitzengruppe beim globalen Ausbau der erneuerbaren Energien – wenn denn auf die Ankündigungen Taten folgen. Auch die arabischen Länder zeigten, trotz großer Vorbehalte, auf der Vorbereitungskonferenz in Sanaa im Jemen Interesse an Energieformen jenseits von Öl und Gas.

Selbstverständlich ist die Energiewende keineswegs nur eine technische Frage. Hermann Scheer, der Vorsitzende des Weltrates für Erneuerbare Energien (WCRE), sieht das größte Hindernis neben der Marktmacht der großen Energiekonzerne in einer prinzipiellen Abwehrhaltung: »Es gibt eine Sperre im Kopf, im Norden wie im Süden. Die Energiedebatte ist voll gestopft mit Vorurteilen, Lügen und den dümmsten Kostenkalkulationen.«

Das auf der Konferenz präsentierte Papier mit politischen Empfehlungen kritisiert, dass konventionelle Energien stark subventioniert werden und dass externe Kosten in die Strompreisberechnungen nicht einflössen. Dies solle sich in Zukunft ändern. Geht es nach dem Willen der Konferenzteilnehmer, müssen indirekte Kosten, verursacht von fossilen und atomaren Energieträgern, wie etwa Entsorgungskosten, Aufwendungen für Krankheiten durch Luftverschmutzung oder die Beseitigung von Umweltschäden durch Uranabbau, in der Kostenkalkulation berücksichtigt werden. Umgekehrt sollen positive Auswirkungen des Einsatzes erneuerbarer Energien, zum Beispiel geringere Ausgaben für Ölimporte, bei den hohen Anfangsinvestitionen regenerativer Energiequellen mit einberechnet werden.

Auf der Konferenz wurden die neuen Technologien zu Alleskönnern stilisiert: Erneuerbare Energien schonen die Wasserressourcen, bekämpfen Armut und den Klimawandel, schaffen Wachstum und Arbeitsplätze, sparen Devisen für Energieimporte und bringen Frieden, weil keine Kriege um Öl geführt werden müssten. Beim Gang durch das Konferenzgelände entstand aber vor allem der Eindruck, man befinde sich auf einer riesigen Verkaufsmesse. Vom Export der Technik profitieren in erster Linie die Firmen aus den OECD-Staaten, die die High-Tech-Anlagen entwickeln.

Möglicherweise lassen sich Konflikte, die sich um Öl und Gas drehen, durch die Verwendung erneuerbarer Energien abmildern. Das ökonomische und machtpolitische Ungleichgewicht zwischen armen und reichen Ländern werden aber auch die neuen Technologien nicht aufheben.