Hobby: Börse

EM-Sammelbildchen offenbaren das Drama des Fußballs von ivo bozic
Von

Was wäre eine Fußball-EM ohne Panini-Sammelbildchen? Vom Drogengeschäft abgesehen, gibt es wohl kaum ein Segment auf dem kapitalistischen Markt, das offensichtlicher Bedürfnisse erfindet und Nachfrage durch Abhängigkeit schafft. Zwar sind laut Herbert Marcuse die Bedürfnisse, die das System schafft, immer »stabilisierende, konservative Bedürfnisse«, und doch verschönerten sie uns schon so manche WM oder EM, weil sie uns zu Spielern in einem Wettbewerb werden ließen, den ansonsten die Mannschaften auf dem Feld unter sich ausmachten. Es gilt, das Album voll zu bekommen, daran führt kein Weg vorbei, und dazu sind Ehrgeiz und Investitionsfreude gefragt; also sowohl eine sportliche als auch eine kapitalistische Herausforderung und eine Art Wettbewerb – allerdings ohne Gewinnaussichten, was die Sache so sympathisch macht. Der einzige Nutzen ist, auch da hat Marcuse Recht, Frust und Aggression, die der Kapitalismus produziert, zu sublimieren. Aber genau das wollen wir ja auch! Panini ist das Wettbüro der noch kleineren Leute, die am Ende jedoch in der Regel mehr Geld ausgegeben haben als die härtesten Zocker.

In Zeiten der Krise wechseln so manche Panini-Fans diesmal jedoch zu Ferrero. Dort müssen nicht alle Fußballteams gesammelt werden, sondern nur das deutsche. Außerdem gibt es zu jedem Bildchen noch ein Duplo oder Hanuta. Eine süße Belohnung also für das sinnlose Geld-aus-dem-Fenster-werfen. Vor allem aber erfährt man im Ferrero-Sammelalbum Details über den deutschen Kader, die nicht einmal im Kicker-Sonderheft zu finden sind.

Zum Beispiel die Hobbys der Fußballer. Da haben doch tatsächlich einige Spieler »Börse« angegeben. Was soll denn das bitteschön für ein Hobby sein? Vielleicht ist der Hintergrund des ewigen Zoffs zwischen den beiden Torwartkonkurrenten Jens Lehmann und Oliver Kahn gar nicht im Fußball zu suchen, sondern in ihren geheimnisvollen Aktiengeschäften. Um von seinem Deppen-Image wegzukommen, hat Kahn zudem das Hobby »Lesen« angegeben, Klammer auf: »z.B. Bücher über Psychologie«, Klammer zu. Kahn ist also neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Titan auch noch Hobbypsychologe und Hobbybörsianer.

Didi Hamann kümmert sich in der Freizeit passend zu seinem Börsenhobby noch um »Pferde« und »Golf«. Sowieso scheinen es die »weißen« Sportarten den Kickern angetan zu haben. Wo man erwartet, dass mit der proletarischen Herkunft kokettiert wird, scheint der Snobismus Einzug zu halten. Neben Golf und Trabrennen wird besonders gerne Tennis angegeben. Man ist heute lieber Popstar als ein aus der Gosse kommender Revierkicker. Beckham statt Maradona. Früher war Glamour die Belohnung für erfolgreiche Sportler, die eigentlich aus einer anderen, einer dreckigeren Welt stammten, heute ist er Prämisse. Wenn schon Prolos wie Kahn und Lehmann Abitur haben, dann geht es mit dem Fußball als Sport der Underdogs endgültig zu Ende. Bleiben noch Boxen und Basketball. Und Miroslav Klose. Der hat Ferrero zufolge als einziger deutscher Spieler nur einen Hauptschulabschluss und entspannt sich in seiner Freizeit am liebsten beim Angeln. So ist das vom lieben Fußballgott auch gedacht gewesen. Aber warum packt er dann in jedes zweite Duplo ein Bildchen von Kahn- oder Völler?