Der Kampf der Generäle

Den Konflikt um die kongolesische Stadt Bukavu konnte Präsident Kabila vorläufig für sich entscheiden. Doch die von ihm geführte Übergangsregierung bleibt gespalten. von alex veit
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Nach acht Jahren Krieg ist der Konflikt in der Demokratischen Republik Kongo wieder dort angekommen, wo er 1996 begonnen hat: bei der Frage, welchen Status die ruandischsprachige Minderheit im Osten des Landes in einem zukünftigen, wieder vereinten Staat erhält. Die Kämpfe um die Hauptstadt der Provinz Süd-Kivu, Bukavu, die die bislang schwerste Krise der Übergangsregierung der nationalen Einheit darstellten, haben das Problem allerdings verschärft. 36 000 Banyamulenge, wie die ruandischsprachige Minderheit genannt wird, flüchteten in die Nachbarländer Burundi und Ruanda.

»Wir haben die Entscheidung getroffen, Bukavu einzunehmen, um den Genozid zu beenden«, erklärte der »Rebellengeneral« Laurent Nkunda nach seinem Abzug aus der Stadt. Er hatte die Provinzhauptstadt Anfang Juni eine Woche lang besetzt gehalten. Nkunda beklagte, dass der von der Übergangsregierung eingesetzte Militärgouverneur in Bukavu die Banyamulenge verfolgt habe und deshalb vertrieben werden musste.

Dem widersprach allerdings nicht nur die Regierung in der Hauptstadt Kinshasa, sondern auch der Chef der humanitären Abteilung der UN-Mission im Kongo (Monuc), Roberto Ricci: »Die Anschuldigungen, in Bukavu finde ein Genozid statt, können wir als falsch ansehen. Es gibt nichts, was diese Behauptung stützen könnte.« Zwar seien Ende Mai vier Zivilisten in Bukavu von Regierungssoldaten getötet worden, Nkundas Soldaten hätten jedoch während der einwöchigen Besetzung der Stadt 66 Menschen getötet.

Nkunda soll auch für Massaker in Kisangani vor zwei Jahren verantwortlich sein. Zudem wurde er von einem Gericht in Abwesenheit wegen des Mordes am früheren Präsidenten Laurent Kabila zum Tod verurteilt. Möglicherweise wollte er durch die Besetzung Bukavus eine Rücknahme dieses Urteils erpressen.

Der General gehört zur ehemals größten Rebellengruppe, der Kongolesischen Sammlungsbewegung für die Demokratie (RCD-Goma). Der RCD ist zwar mit einem Vizepräsidenten und mehreren Ministern in die Übergangsregierung eingebunden, aber in sich gespalten und darauf bedacht, die im Krieg eroberten Gebiete im Osten des Landes weiterhin kontrollieren zu können. Insofern dürfte der Überfall auf Bukavu eher eine Machtdemonstration gewesen sein, die Präsident Joseph Kabila davon abhalten sollte, in den RCD-Gebieten zu intervenieren.

Doch auch wenn Nkunda die Übergriffe auf Banyamulenge in Bukavu übertrieben hat, bleiben Macht und rechtlicher Status dieser Gruppe ein wichtiger Faktor im zerbrechlichen Friedensprozess. Die von Laurent Kabila 1996 angeführte Rebellion gegen den damaligen Diktator Mobutu Sese Seko stützte sich wesentlich auf Soldaten aus den Reihen der Banyamulenge. Diese Gruppe wird seit der Kolonialzeit als »nicht indigen« angesehen, weil ihre Angehörigen erst in den letzten 200 Jahren in den Kivu migriert sind. Seit der Unabhängigkeit des Landes war ihr Staatsbürgerschaftsrecht immer umstritten. Zudem wurden sie als angeblich fremde Gruppe vom Landbesitz ausgeschlossen.

In den neunziger Jahren kam es nach dem Genozid in Ruanda und der anschließenden Flucht hunderttausender Ruander in die Kivu-Provinzen immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Banyamulenge und anderen Bevölkerungsgruppen. Mobutu nutzte diese Konflikte, um seine prekäre Herrschaft über die entlegenen Provinzen aufrechtzuerhalten. Doch durch die Unterstützung der ruandischen Regierung gelang es der Rebellenbewegung von Laurent Kabila, von Kivu aus den gesamten Kongo zu erobern und Mobutu zu stürzen.

Als Laurent Kabila sich zwei Jahre später von seinen Unterstützern unter den Banyamulenge und in der ruandischen Regierung abwandte, kam es erneut zum Krieg. Der wiederum von Ruanda unterstützte und von ruandischsprachigen Kongolesen dominierten Rebellengruppe RCD gelang es, den Ostteil des Landes zu erobern. Erst 2002 kam es in Pretoria zu einem Friedensschluss zwischen den größeren Kriegsparteien, der nach einer Phase des Übergangs im nächsten Jahr zu freien Wahlen führen soll.

Der Kampf um Bukavu begann, als die Übergangsregierung den vom RCD gestellten Militärgouverneur der Region absetzte und durch einen Getreuen aus Präsident Joseph Kabilas Militär ersetzte. Nachdem bei dem abgesetzten Militärstatthalter und anderen führenden Banyamulenge Waffenlager gefunden worden waren, sahen sich die RCD-Anhänger wiederum Repressionen ausgesetzt. Möglicherweise entsandte Eugène Serufuli, RCD-Anführer und Gouverneur der Provinz Nord-Kivu, General Nkunda in die südliche Nachbarprovinz, um die Machtverhältnisse wieder umzukehren.

Den zivilen Banyamulenge hat er damit allerdings keinen Gefallen getan. Ohnehin werden sie mit den schweren Menschenrechtsverletzungen des RCD identifiziert und als fünfte Kolonne der verhassten Ruander angesehen. Zudem scheint es nun, dass die Vertreter der ehemaligen Rebellengruppe in der Übergangsregierung keinen Einfluss auf den RCD im Kivu mehr haben. Im Radio Okapi, dem Sender der UN-Mission Monuc, beklagte sich der wegen der Kämpfe nach Burundi geflüchtete Banyamulenge Félix Ntagaho über die Machtpolitik innerhalb des RCD und über Laurent Nkunda: »Wir haben einen Vizepräsidenten, einige Generäle, und nun laufen wir Gefahr, dies alles wegen dieses Mannes zu verlieren, der seine eigenen Interessen und die von Ruanda verfolgt.«

Währenddessen einigten sich Präsident Joseph Kabila und sein ruandischer Kollege Paul Kagame bei einem Vermittlungsgespräch auf die Einstellung ihrer verbalen Feindseligkeiten, nachdem sie vom UN-Sicherheitsrat zur Besonnenheit aufgerufen worden waren. Kabila hatte Ruanda vorgeworfen, heimlich Truppen in den Kongo verlegt zu haben und hinter der Besetzung Bukavus zu stecken. Kagame bestritt dies und bewertete die Verlegung von 10 000 Soldaten Kabilas nach Süd-Kivu in den letzten Wochen als feindseligen Akt und als Vorbereitung einer Invasion. Nun soll eine gemeinsame Kommission alle gegenseitigen Vorwürfe klären.

Damit muss sich die Uno, deren Mission Monuc unentschlossen durch die Krise lavierte, erst einmal zufrieden geben. Zunächst reagierten die in Bukavu stationierten Blauhelme nicht auf die Besetzung der Stadt. »Wenn Krieg ausbricht, endet die Rolle der Peacekeeper«, begründete ein Sprecher von UN-Generalsekretär Kofi Annan die anfängliche Untätigkeit. Nachdem jedoch in allen großen Städten des Landes Büros der Monuc von nationalistischen Demonstranten angegriffen worden waren, stellte sich die Blauhelmmission relativ offen auf die Seite der Regierungstruppen und feuerte mit einem Kampfhubschrauber Raketen auf eine Fraktion der Bukavu-Besatzer. Angeblich hatten diese das Feuer eröffnet.

Doch der Konflikt ist keineswegs beigelegt, und die Monuc ist mit 10 000 auf den gesamten Ostteil des Landes verteilten Soldaten dünn besetzt. Allein Eugène Serufuli beispielsweise, der Gouverneur von Nord-Kivu, unterhält eine 10 000 Mann starke Privatmiliz. Bislang hat er nicht auf die Verlegung der ebenso zahlreichen Regierungssoldaten durch Joseph Kabila in seine Nachbarprovinz reagiert. Möglicherweise gerät die Monuc demnächst zwischen alle Fronten.