Der Sieg des kleineren Übels

Präsidentschaftswahlen in Serbien von boris kanzleiter, belgrad

Ein so deutliches Ergebnis hatten die wenigsten Serben für möglich gehalten: Bei den Präsidentschaftswahlen am vergangenen Sonntag schlug Boris Tadic von der Demokratischen Partei (DS) den Kandidaten der nationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS), Tomislav Nikolic, mit 53,7 Prozent zu 45 Prozent klar aus dem Rennen. Damit hat das Land nach drei gescheiterten Anläufen einen neuen Präsidenten erhalten. Allerdings nur, weil zuvor die Regelung aufgehoben worden war, dass für eine gültige Wahl mindestens die Hälfte der Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben muss. Das wäre auch dieses Mal nicht erreicht worden. Die mangelnde Begeisterung zeigt vor allem eins: Die politikverdrossenen Serben haben ein kleineres Übel gewählt.

Die Wahlkampagne hat sich an der für das Land entscheidenden Frage der Annäherung an die Europäische Union polarisiert. Der jugendlich wirkende Boris Tadic hämmerte seinem Publikum in jeder Ansprache ein, dass »Europa die einzige Alternative« sei. Nur so könnten die Hauptsorgen der Serben – die bankrotte Wirtschaft und die Macht der Mafia – effektiv behoben werden. Ganz anders dagegen Nikolic: Statt einer Öffnung nach Westen forderte der ehemalige Friedhofsmanager die Zusammenarbeit mit Russland und den arabischen Ländern, wo die wahren Freunde Serbiens zu suchen seien. Und natürlich könne kein Patriot auf den »Traum von Großserbien« verzichten.

Boris Tadic ist mehr als nur eine Kopie seines im vergangenen Jahr erschossenen Idols Zoran Djindjic. Den Wahlsieg hat der Wasserball spielende Psychologe nicht zuletzt einem ungewohnten neuen politischen Stil zu verdanken. Statt mit der Verleumdungskeule auf seine Gegner einzuschlagen und Gerüchte über angebliche Mafiakontakte oder Korruptionsskandale zu verbreiten, wie dies sonst gebräuchlich ist, gibt sich Tadic bewusst integrativ und konziliant. Nicht umsonst hat er auch die einhellige Unterstützung der zahlreichen nationalen Minderheiten erhalten. So eilte er demonstrativ in einen Roma-Slum in Belgrad, als dessen Bewohner von einer neofaschistischen Schlägertruppe mit dem bezeichnenden deutschen Namen »Gröfaz« (Größter Feldherr aller Zeiten) bedroht wurden.

Und da ist noch etwas: Tadic hat in der Kosovo-Frage eine klare Position. Mit deutlichen Worten wendet er sich gegen eine Unabhängigkeit der Provinz und fordert den Schutz der serbischen und anderer Minderheiten vor Übergriffen albanischer Nationalisten. Sein Adressat ist dabei die Nato, die er auf ihre Verpflichtung im UN-Protektorat festzunageln versucht. Wie Oliver Ivanovic vom Serbischen Nationalrat in Kosovska Mitrovica in der Wahlnacht meinte, ist Serbiens Position in der Auseinandersetzung um die umkämpfte Statusfrage der Provinz durch Tadics Sieg eher gestärkt. Denn für die albanischen Sezessionisten wäre ein international geächteter serbisch-nationalistischer Buhmann im Präsidentenpalast in Belgrad ein Geschenk gewesen.

Auch in einem anderen Lager wird die Niederlage Nikolics bedauert. Denn die SRS erregt mit ihrem Politikmix aus »Chomsky und Le Pen«, wie die Parteisprecherin Maja Gojkovic treffend formulierte, gleichermaßen die sympathisierende Aufmerksamkeit von Rechtsextremisten und pseudolinken Antiimperialisten, deren gemeinsame Hauptachse der Anti-Amerikanismus ist. In den Kolumnen der SRS-Freunde Franz Schönhuber in Nation und Europa und Jürgen Elsässer in der jungen Welt wird erklärt werden, wie der Kampf jetzt weitergeht.