Nachrichten

Hut ab, Istanbul

Türkei. Männer, rasiert euch, sonst bleibt euch der Weg in die Istanbuler Universität versperrt! Dort herrscht nämlich nicht nur absolutes Kopftuchverbot für Frauen, auch die Kinnbehaarung bei Männern wird misstrauisch beäugt und ist wegen ihrer religiösen Bedeutung auf dem Hochschulgelände unerwünscht. Dass das Kopftuchverbot rechtens ist, hat inzwischen der Europäische Gerichtshof bestätigt, als er am vergangenen Dienstag die Klage einer Medizinstudentin gegen die Türkei ablehnte.

Die Studentin mit der Vorliebe zur Kopfbedeckung stand kurz vor dem Examen, als im Februar 1998 das Verbot ausgesprochen wurde, und fand sich einen Monat später vor verschlossenen Seminartüren wieder. Sie sah ihr Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit verletzt und klagte sich fortan ohne Erfolg durch die türkischen Gerichte. Der Europäische Gerichtshof wies nun die Klage mit der Begründung ab, dass sich das Kopftuchverbot im Einklang mit dem in der türkischen Verfassung verankerten Laizismus befindet. Peinlich ist das für die Regierung der gemäßigten Islamisten, die das Koptuch zum Grundrecht der Frauen machte, es aber wegen des Drucks der Kemalisten nicht schaffte, die entsprechenden Verbote abzuschaffen.

Gefährlicher Schulweg

Belgien. Als es in Antwerpen innerhalb von vier Tagen zu mehreren schweren Gewalttaten gegen jüdische Jugendliche kam, kündigte der belgische Innenminister Patrick Dewael am Mittwoch vergangener Woche Maßnahmen an, um Übergriffe dieser Art in Zukunft zu verhindern. Eine Woche zuvor war eine Gruppe Jugendlicher nach dem Verlassen der Talmudschule im Vorort Wilrijk überfallen worden, wobei ein Schüler niedergestochen wurde. Am folgenden Sonntag wurden mehrere Jugendliche, die dieselbe Schule besuchen, aus einem fahrenden Auto beschossen. In Anderlecht gingen daraufhin mehrere hundert Menschen auf die Straße, um gegen rassistische Gewalt gegen jüdische Mitbürger zu demonstrieren. Antwerpens Bürgermeister Patrick Janssen ließ den Polizeischutz für jüdische Schulen und andere gefährdete Institutionen erhöhen.

Insgesamt sind die antisemitisch motivierten Angriffe in der Stadt drastisch angestiegen. 20 000 Einwohner Antwerpens sind Juden, sie stellen die größte jüdische Gemeinde Belgiens. In der ersten Hälfte dieses Jahres sind bereits 30 Übergriffe bekannt geworden, so viele wie 2003 insgesamt.

Prozess nach 60 Jahren

Italien. Bereits im April sollte der Prozess gegen sechs ehemalige Angehörige der Waffen-SS beginnen, die am 12. August 1944 an der Ermordung von etwa 560 Bewohnern des Dorfes Sant Anna di Stazzema beteiligt gewesen sein sollen. Erst jetzt, nach der langwierigen Klärung technischer Details, beginnt die Verhandlung vor dem Militärtribunal in La Spezia, allerdings in Abwesenheit der Angeklagten. Die Beschuldigten, welche sich bisher nicht weiter zum Geschehen geäußert haben, lehnen es ab, sich der italienischen Gerichtsbarkeit zu stellen.

Bei dem der Staatsanwaltschaft zufolge geplanten Massaker wurden die Bewohner vor der Dorfkirche zusammengetrieben und erschossen, unter ihnen waren 120 Kinder. In einem Interview des italienischen Magazins Gente erklärte einer der Angeklagten, der SS-Offizier Gerhard Sommer, er habe ein reines Gewissen und fühle keine Reue. 2004 jährt sich das Verbrechen zum 60. Mal. Bundesinnenminister Otto Schily wird an der Gedenkfeier in Sant Anna di Stazzema teilnehmen.

Schwester Ursula

Österreich. Ist rechts noch Platz? Das fragen sich offenbar einige Politiker der FPÖ. Zu zahm erscheint dem rechtsnationalen Kreis um den bei der Europawahl erfolgreichen FPÖ-Kandidaten Andreas Mölzer die Politik der Koalitionspartei. Der Herausgeber der Postille Zur Zeit machte sich für den völkischen Volksanwalt Ewald Stadler als zukünftigen Parteivorsitzenden stark und sähe die FPÖ am liebsten aus der Regierungskoalition aussteigen.

Jörg Haiders Schwester, Ursula Haubner, die einen weiteren Rechtsruck ablehnt, war auf dem Sonderparteitag in Linz dann aber doch die einzige Kandidatin für den Chefposten. Sie soll der FPÖ einen weiteren rechtsnationalen Putsch wie den vor zwei Jahren ersparen, der sie aus der Regierung manövrieren würde. Denn bei Neuwahlen müssten die Freiheitlichen wohl mit ähnlich katastrophalen Ergebnissen rechnen wie bei der Europawahl. Doch der Frieden scheint vorerst wieder gesichert zu sein, Haubner wurde am Samstag mit 79 Prozent zur neuen Vorsitzenden der Partei gewählt. Ihr Vorgänger Herbert Haupt meinte zu den vorangegangenen Querelen: »Ich wünsche mir, dass es keinen Freiheitlichen mehr gibt, der den Weg der inneren Zerstörung geht.« Schade eigentlich.

Göteborg, Amsterdam und zurück

Niederlande. Schwere Störung der öffentlichen Ordnung und Gewalttätigkeit gegenüber einem Polizisten wirft Schweden dem Fahrradmechaniker Maarten Blok aus Amsterdam vor. Am Abend des 13. Juni 2001 fuhr er zum EU-Gipfel nach Göteborg, nur um bereits am nächsten Morgen mit weiteren 450 Personen festgenommen zu werden. Dass er im Zuge der Festnahme einen Polizisten geschlagen haben soll, bestreitet er bis heute. Trotzdem beschloss der niederländische Justizminister Piet Hein Donner am vergangenen Donnerstag endgültig, dass Blok an Schweden ausgeliefert werden darf.

Umstritten ist seine Auslieferung vor allem wegen der Missstände am Göteborger Gericht, dessen Verfahren von mehreren Institutionen wie z.B. amnesty international kritisiert werden. So wurde in einem Verfahren nachgewiesen, dass Beweismaterial manipuliert worden war.Ein deutscher Demonstrationsteilnehmer wurde verurteilt, obwohl selbst der Richter keine Beweisgrundlage gegeben sah, er jedoch von Schöffen überstimmt wurde.