Nur so eine Meinung

Der Direktor des Deutsch-Islamischen Instituts klagt gegen eine Celler Antifagruppe, die ihm vorwirft, antisemitische Thesen vertreten zu haben. von andreas speit

Vor dem Amtsgericht Celle wird gegenwärtig die Klage des Direktors des Deutsch-Islamischen Instituts für Wissenschaft und kulturelle Zusammenarbeit, Hans-Christian Heydecke, gegen Albert Buck, den presserechtlich Verantwortlichen der Antifaschistischen Informationsgruppe Celle (AIG), verhandelt. Bereits zu Beginn der Verhandlung zeigte sich, dass keine gütliche Einigung erzielt werden würde.

Im Jahr 2001 schickte Heydecke einen Leserbrief an das extrem rechte Magazin Nation&Europa. Die Antifagruppe vertrat auf ihrer Internetseite die Ansicht, dass Heydecke in dem Leserbrief den Holocaust relativiere und »antisemitische Thesen« vertrete. Der pensionierte frühere Direktor der Commerzbank in Frankfurt am Main sieht darin eine »falsche Tatsachenbehauptung«.

Die Kritik der Antifagruppe sei eine »Unverschämtheit«, schimpft Heydecke, der in Eldingen nahe Celle lebt. Das Wort »Holocaust« komme in dem Leserbrief, den auch die Cellesche Zeitung veröffentlichte, gar nicht vor. Die Veröffentlichung in Nation&Europa, das der Verfassungsschutz als »bedeutendstes rechtsextremistisches Theorie- und Strategieorgan« bewertet, streitet Heydecke nicht ab.

Vor Gericht bemängelte sein Anwalt, dass Buck in dem Kommentar nicht deutlich gemacht habe, dass es sich um eine »Meinung« handle. Der Internetbeitrag wirke vielmehr wie eine Tatsachenbehauptung. »Ich muss nicht sagen, ich bin Antisemit, um ein Antisemit zu sein«, erwiderte Bucks Anwalt in der Verhandlung. »Ebenso wenig muss ich sagen, das ist meine Meinung, wenn ich meine Meinung äußere.«

Die Richterin betonte, dass sich »in diesem Fall Meinung und Tatsachenbehauptung nur schwer auseinanderhalten lässt«. Sie könne allerdings nachvollziehen, dass Buck den Leserbrief »in einigen Punkten als antisemitisch und den Holocaust relativierend empfand, auch wenn diese Worte nicht vorkommen«. Dennoch schlug sie »zur Güte« vor, dass Buck den Eintrag von der Internetseite lösche und Heydecke dafür die Klage wegen »Unterlassung und Schadenersatz« zurückziehe.

Das jedoch lehnte Buck ab. »Wir wollen das Gericht nun nicht aus der Verantwortung entlassen«, sagte er. Schließlich seien die Aussagen Heydeckes in dem Leserbrief eindeutig antisemitisch, da er »implizit ausführt, dass ›die Juden‹ es an der notwendigen Dankbarkeit im Hinblick auf die Wiedergutmachung fehlen ließen und ihnen noch immer ›Privilegien‹ im Vergleich zu den ›normalen‹ Deutschen eingeräumt würden«. Der Leserbrief gipfele darin, in dem »Verhalten ›der Juden‹ selbst den Anlass für Anschläge und Vorurteile« zu sehen.

Nur so seien Heydeckes »Empfehlungen« in dem Brief an »die Herren Spiegel und Friedman« zu verstehen. Ferner sollten sie »ganz besonders dankbar« sein, weil »Deutschland die Juden und Israel« mit Milliarden entschädigt habe und jedes Jahr weiter »große Summen zahle«.

Außerdem will Heydecke auch anerkannt haben, »was das deutsche Volk vor und nach 1945 selbst erlitten hat«. Er denkt dabei »an den Bombenterror, die Vertreibung und den Umgang mit unseren Kriegsgefangenen«. Heydecke findet, Deutschland habe sich »sogar für Taten, für die kein Deutscher verantwortlich war«, entschuldigt.

Buck wirft Heydecke vor, den Holocaust zu relativieren, indem er die »Einzigartigkeit des Vernichtungsschicksals der Juden« in das »allgemeine im Zweiten Weltkrieg begangene Unrecht« einordne. Diese Einschätzung des Leserbriefs teilt auch der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinde Niedersachsen. »Der Vorwurf mangelnder Solidarität der Juden mit ihren Heimatstaaten gehört zum klassischen Arsenal antisemitischer Vorurteile«, sagt Alisa Bach von der Kultusgemeinde. Die Forderung nach Dankbarkeit für die Entschädigungszahlungen suggeriere, diese würden »freiwillig und nicht als Entschädigung für geraubtes Vermögen und schwere Gesundheitsschäden gezahlt«. Auch diese Äußerung falle in das »antisemitische Einstellungsspektrum«.

Es stellt sich auch die Frage, was im Deutsch-Islamischen Institut, das sich der »Verständigung zwischen Kulturen und Nationen, insbesondere zwischen Deutschland und der islamischen Welt« verschrieben hat, sonst noch so besprochen wird. Wegen »nazistischen Äußerungen« verließen im Jahr 2002 Christian Hoffmann, der stellvertretende Präsident des Deutsch-Islamischen Instituts, und der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Ayyub Köhler, das Institut. Die Atmosphäre sei »nicht mehr tragbar gewesen«, sagte Hoffmann der Celleschen Zeitung. »Aus Protest sind wir ausgetreten.«

Was »untragbar« gewesen sein könnte, lässt sich erahnen. Heydecke betätigte sich auch als Autor für Nation&Europa und beklagte in einem Leserbrief in dem neonazistischen Periodikum Die Bauernschaft die »massive Verfälschung der ›deutschen Geschichte‹«. Das verstorbene Gründungsmitglied der mittlerweile eingestellten Bauernschaft, Thies Christophersen, hatte unter anderem erklärt: »Ich glaube nicht an die Gaskammer.«

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hätten sich die arabischen Geldgeber des Deutsch-Islamischen Instituts zurückgezogen, sagte Hoffmann außerdem. Mittlerweile seien die Aktivitäten des Instituts erlahmt. Weder Vorträge und Ausstellungen noch Sprach- und Kochkurse fänden noch statt. Der Mangel an Geld könnte auch ein Beweggrund Heydeckes gewesen sein, gegen die Antifa zu klagen. Die Universität Erfurt etwa lehnte im Jahr 2003 eine Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Islamischen Institut ab, weil sie im Internet auf den Kommentar der AIG gestoßen war. Heydecke erklärte, die Universität habe ihm empfohlen, »etwas dagegen zu tun«. In vier Wochen soll das Urteil am Amtsgericht verkündet werden.