Nachrichten

Hör mir doch mal zu!

Lauschangriff. Im Jahr 2003 hat sich Deutschland beim Abhören von Telefonaten mal wieder selbst übertroffen. 24 441 Anschlüsse seien überwacht worden, teilte der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, vor kurzem mit, zwölf Prozent mehr als im Vorjahr.

Ist man in einer Disziplin ganz vorne mit dabei, will man die Spitzenposition auch halten, komme, was da wolle. Das muss sich Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) gedacht haben. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März, das die Lauscherei in großen Teilen für verfassungswidrig erklärt hatte, weil sie gegen den Schutz der Menschenwürde verstoße, war es Zypries’ Aufgabe, einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen. Das tat sie in der vergangenen Woche. Demnach sollen künftig noch mehr Menschen in den Genuss kommen, beim Telefonieren mal so richtig angehört zu werden. Denn auch Ärzte, Anwälte oder Journalisten, die bislang als Träger von Berufsgeheimnissen galten, sollen demnächst überwacht werden dürfen. »Der praktische Wegfall des Informantenschutzes macht die Pressefreiheit in Deutschland zur Makulatur«, kritisierte der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes, Michael Konken, den Entwurf.

Kinder, Kinder

CSU. Junge Politiker haben es nicht leicht. Um in die Tagesschau zu kommen, müssen sie sich immer wieder etwas Neues einfallen lassen, eine verwegene These, eine gemeine Forderung. Markus Söder, der Generalsekretär der CSU, weiß das. In der vergangenen Woche tat er wieder etwas für seine Reputation. Er forderte im Rheinischen Merkur, Eltern, »die sich erkennbar nicht um ihre Kinder kümmern«, die Sozialhilfe und das Kindergeld zu kürzen.

Der stellvertretende Landesvorsitzende der bayerischen SPD, Florian Pronold, dachte den Vorschlag schlüssig zu Ende. Er schrieb in einer Pressemitteilung, die ersten Opfer der Regelung wären »mit Sicherheit« die Eltern von Markus Söder. Sie müssten »das volle Kindergeld zurückzahlen, um einen Ausgleich für den Unsinn zu schaffen, den ihr Sohn permanent veröffentlicht«.

Farbe und Säure

Anschlag. Auf das Haus und das Büro des Leiters des Instituts für Völker- und Europarecht an der Humboldt-Universität Berlin, Christian Tomuschat, wurden Anfang Juli Anschläge verübt. Unbekannte bewarfen Tomuschats Haus mit Farbbeuteln, brachen sein Büro in der Universität auf und kippten Buttersäure aus.

In einem Bekennerschreiben, das der Jungle World vorliegt, wird die Rolle Tomuschats bei der Erstellung von Gutachten für den Konzern Daimler-Chrysler kritisiert. Es geht um das Verfahren wegen des Verschwindens von 14 argentinischen Betriebsräten während der Militärdiktatur in Argentinien zwischen 1976 und 1983. Tomuschats Gutachten, das Daimler-Chrysler Ende vergangenen Jahres vorlegte, entlaste das Unternehmen von sämtlichen Vorwürfen. Ein anderes Gutachten, das er im Auftrag des Bundesfinanzministeriums herstellte, habe die Grundlage dafür geliefert, dass italienischen Militärinternierten des Zweiten Weltkriegs der Anspruch auf Entschädigung verweigert wurde.

Die Verfasser des Bekennerschreibens unterstellen Tomuschat, »Gefälligkeitsgutachten« verfasst zu haben. In dem Schreiben heißt es: »Schreibtischtäter wie Tomuschat sollen spüren, dass sie für ihre Taten verantwortlich sind und zur Verantwortung gezogen werden.«

Gehemmt, aber aktiv

Langzeitarbeitslose. Über Frauenemanzipation redet heutzutage kaum noch jemand. Gender ist in, und so kann auch der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, über seine Doppelbelastung klagen. Nur geht es dabei nicht um die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Beruf, sondern darum, dass seine Behörde sich gleichzeitig umstrukturieren und mit dem neuen Arbeitslosengeld II herumschlagen muss.

Trotz seines stressigen Alltags kommt Weise hin und wieder zu realistischen Einschätzungen. Der Welt am Sonntag teilte er mit, Langzeitarbeitslose hätten auch künftig keine besseren Chancen, vermittelt zu werden, denn »das Angebot an Arbeitsplätzen für Bewerber mit Vermittlungshemmnissen« sei doch »stark begrenzt«. Seine Drohung, »20 Prozent der Leute mit entsprechenden Angeboten aktivieren« zu wollen, verheißt dennoch nichts Gutes.

Verschnaufpause für alle

Reisezeit. Unsere Regierungspolitiker begeben sich dieser Tage in ihre Feriendomizile. Die größte Überraschung: Bundeskanzler Gerhard Schröder fährt wieder nach Italien! Nachdem er im vergangenen Jahr wegen deutsch-italienischer Querelen seinen Urlaub in Hannover verbrachte, zieht es ihn in diesem Jahr wieder nach Pesaro. Dort kann er sich vom historischen Tief seiner Partei erholen und sich bei einem Gläschen Chianti weitere Schläge und Hiebe gegen die Unterschicht ausdenken.

Nichts Genaues weiß man über Joschka Fischer. Obwohl er in der vorigen Woche verkündete, dass er mit Schröder eine dritte Amtszeit anstrebe, besagen Gerüchte, dass er in Frankreich darüber nachdenke, wie er einen Job bei der Europäischen Union ergattern könnte, bevor er und die Seinen aus der Regierung gejagt werden. Verteidigungsminister Peter Struck will sich an der Ostsee davon erholen, in aller Welt Verantwortung tragen zu müssen. Und wohin zieht es Verkehrsminister Manfred Stolpe? Von Mautstellen unbehelligt, jagt er auf der A 9 von Berlin nach Potsdam. Er will gute Bücher lesen. Wie wär’s mit dem Ratgeber: »Abschied nehmen auf gut Preußisch?« Ganz toll treibt es Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn. Sie wolle sich »spontan« entscheiden, wohin sie fahre, sagte ihr Sprecher.

So leicht haben es Arbeitslose nicht. Sie müssen vor dem Antritt einer Urlaubsreise mit ihrem Arbeitsvermittler über den geplanten Urlaub sprechen. Fahren Arbeitslose ohne Erlaubnis in den Urlaub, verlieren sie den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe für die Dauer der Abwesenheit. Aber mal ehrlich: Wer nicht arbeitet, der …