Carlos Mesa gibt Gas

Beim Referendum über die bolivianische Energiepolitik blieben größere Proteste aus, die Mehrheit stimmte den Plänen des Präsidenten zu. von wolf-dieter vogel

Ein »Fest der Demokratie« sei das Referendum gewesen, frohlockte Boliviens Präsident Carlos Mesa. Rund 60 Prozent der Bürger und Bürgerinnen haben am vorletzten Wochenende über die Zukunft der heimischen Gasvorkommen abgestimmt. Die überwiegende Mehrheit von ihnen unterstützte Mesas Entwurf, nach dem internationale Energiekonzerne mehr Steuern bezahlen sollen und das staatliche Gasunternehmen YPFB wieder aktiver in die Förderung und Vermarktung des hauseigenen Brennstoffs eingebunden werden soll. »Das Wichtigste ist, dass der Frieden über die Gewalt gesiegt hat«, sagte das Staatsoberhaupt.

Das sieht der radikale Bauernführer Felipe Quispe anders. Wie der Gewerkschaftsdachverband (Cob) hatte Quispes Mip (Indigene Bewegung Pachakutik) zum Boykott des Referendums aufgerufen. Schließlich stand in der Umfrage nicht zur Wahl, wofür viele soziale Organisationen gekämpft hatten: die Wiederverstaatlichung der in den neunziger Jahren privatisierten Energieindustrie.

Mesas Vorgänger Gonzalo Sánchez de Lozada musste im letzten Oktober nach schweren Straßenkämpfen sein Amt aufgeben. Indígenas, Kokabauern und Minenarbeiter hatten gegen Regierungspläne demonstriert, Erdgas nach Mexiko und in die USA zu verkaufen. Auf eine solch starke Opposition hatten die Referendumsgegner gesetzt. Man werde die Straßen blockieren und Wahlurnen in Brand setzen, ließ die Cob vorab wissen. Quispe wollte im Hochland, wo Pachakutik über großen Rückhalt verfügt, für einen »Belagerungszustand« sorgen. Schon früher hatte er dazu aufgerufen, das Gas mit der »Macht der Waffen« zu nationalisieren.

Aus den großspurigen Ankündigungen ist nichts geworden, nicht einmal in der widerstandserprobten Stadt El Alto kam es zu größeren Aktionen. Dennoch sprach Quispe von einem Erfolg. Schließlich habe fast die Hälfte der Bevölkerung das Referendum boykottiert, obwohl Wahlpflicht herrschte. Die Bolivianer hätten verstanden, »dass die Fragen im Interesse der Konzerne gestellt waren«, resümierte er. Doch obwohl Umfragen des Radionetzwerkes Erbol zufolge 81 Prozent der Bolivianer für eine Verstaatlichung der Energieindustrie eintreten, stimmten viele für Mesas Kompromissvorschlag.

Dass die Mobilisierung nicht den erwarteten Erfolg hatte, dürfte auch der tiefen Spaltung in der bolivianischen Opposition geschuldet sein. Noch beim Oktober-Aufstand waren Quispes Mip und die einflussreiche Bewegung zum Sozialismus (Mas) gemeinsam für die Erdgas-Verstaatlichung eingetreten. Doch der Mas-Sprecher und Kokabauernführer Evo Morales hat sich dem Präsidenten Mesa angenähert und auch das Referendum unterstützt. Quispe warf dem Mas-Sprecher vor, er biedere sich Mesa an, Morales kritisierte den Mip-Politiker wegen seines Aktionismus »ohne ideologischen Hintergrund«. Anfang Juli wurde Morales aus der Cob ausgeschlossen, und Quispe musste die der Mas nahe stehenden Organisationen verlassen.

Zufrieden können dagegen einige internationale Energieunternehmen sein. Nach Schätzungen der Schweizer Investmentbank UBS wird das Nein zur Verstaatlichung dafür sorgen, dass der spanische Konzern Repsol seine dominante Stellung in Bolivien konsolidieren kann. Repsol-Präsident Alfonso Cortina will gemeinsam mit anderen Konzernen Erdgas im Wert von sechs Milliarden Dollar an Mexiko und die USA verkaufen.

Bolivien verfügt nach Venezuela über die zweitgrößten Erdgasvorkommen Lateinamerikas. Eine Renationalisierung des Rohstoffes hätte dazu dienen können, größere Teile der Geschäftserlöse in die marode Haushaltskasse des Andenstaates zu leiten, in dem etwa 80 Prozent der Bevölkerung in Armut leben.