Hamburg hat den Bogen raus

Fette Beute für die Polizei: Im linken Zentrum Rote Flora wurden 29 Doppelseiten aus 29 dort ausliegenden Infoblättern beschlagnahmt. von gaston kirsche

Wasserwerfer und mehrere Räumpanzer parkten am Dienstag vergangener Woche in der Nähe der Roten Flora im Hamburger Schanzenviertel, eine Hundertschaft Polizei kam vorbei. Gegen 18 Uhr knackten Beamte das Schloss der Volxküche und verschafften sich zum dritten Mal in 15 Jahren gewaltsam Eintritt in das linke Zentrum. Zwei komplette Einsatzzüge der Polizei beschlagnahmten aus 29 ausliegenden Exemplaren der aktuellen Zeck, des Infoblattes der Roten Flora, je eine Doppelseite.

Gleichzeitig durchsuchten Zivilpolizisten das Café X gegenüber, den Anarcholaden »Schwarze Katze« sowie den Schanzenbuchladen, wo die Zeck aber bereits vergriffen war. Die Buchhändler erhielten für die Zukunft den Hinweis, dass es wegen des darin enthaltenen »Aufrufes zu Straftaten« strafbar sei, diese Nummer verfügbar zu haben. An anderen Orten der Stadt, wo das kostenlose Blatt wie immer ebenfalls ausgelegt worden war, konnte man es auch am nächsten Tag noch unzensiert erhalten.

Das Plenum der Roten Flora tagte einen Tag nach der Razzia und erklärte danach: »Zwar waren Exemplare der Zeck schon häufiger Gegenstand einer Kriminalisierung und wurden beschlagnahmt, doch drang die Polizei zu diesem Zweck noch nie in die Flora ein. Wir werten diese Aktion als weiteren Versuch, linke Medien in dieser Stadt einzuschüchtern und zu kriminalisieren.«

Anlass der Aufregung war ein in der Zeck dokumentiertes Flugblatt mit dem Hinweis auf das Abschleppunternehmen Schroeder-Hamburg, das bereits an der Räumung des Bauwagenplatzes Bambule vor mittlerweile eineinhalb Jahren beteiligt war. Am 24. April dieses Jahres hatte Schroeder-Hamburg an der rabiaten Auflösung einer Bauwagenkundgebung mitgewirkt. Etwa 100 Bauwagen waren an jenem Tag am frühen Morgen, ganz nach dem Motto »Einmal im Leben pünktlich sein«, auf der vierspurigen Hafenstraße geschickt ineinander verkeilt geparkt worden, dekoriert mit Parolen wie »Bauwagenplätze her – basta«. Die zunächst völlig überraschte Polizei entschied sich damals, die Demonstrierenden mit dem Einsatz von Wasserwerfern von ihren Wagen zu vertreiben, Fahrzeuge und Wegfahrsperren aufzubrechen und die Straße freizuräumen.

Das in der bereits seit knapp zwei Wochen ausliegenden Zeck dokumentierte Flugblatt nannte allerdings nicht nur die Adressen der Filialen des Abschleppunternehmens. Daneben fand sich auch der wenig dezente Hinweis: »Auf Schroeders Fahrzeugen steht immer weiß auf rot ›Schroeder-Hamburg‹ drauf – die anderen gehören nicht dazu. Seid kreativ – es gibt viele Möglichkeiten, bei einem Fahrzeug einen hohen Sachschaden zu verursachen, sei es Sand im Tank, anzünden, …«

Auf Anfrage, wieso die Polizei nun eine Razzia zum Einsammeln von einzelnen Druckbögen veranstaltete, bezeichnete der Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft, Rüdiger Bagger, die tatsächlich nicht geheftete Zeck als »Loseblattsammlung«, aus der »aus Gründen der Verhältnismäßigkeit« nur der eine Bogen entfernt worden sei. »Die Zeitschrift zu beschlagnahmen, hat eine andere Dimension.« Tatsächlich gab es bereits ähnliche Aktionen in der Vergangenheit. Als etwa die Bauanleitung für eine Hakenkralle abgedruckt worden war, hatte die Polizei die beanstandeten Seiten einer Zeck aus dem Schanzenbuchladen entfernt. Nicht ohne Grund arbeitet die Redaktion des Blattes verdeckt.

Solidarisch stellte das Plenum des linken Zentrums fest: »Wir werden uns von einer solchen Vorgehensweise der Hamburger Polizei nicht einschüchtern lassen. Die Zeck ist und bleibt das unabhängige Medium aus der Roten Flora.« Und es wird weiterhin linke Proteste mit einer Mischung aus Bewegungsflugblättern und analytischen Texten begleiten. In den WGs der Hamburger Linksradikalen liegt die Zeck überall herum. Jetzt ist besonders die Ausgabe mit allen Druckbögen begehrt.