Humanitäre Erschließung Ostafrikas

In Deutschland verstärkt sich die Diskussion um ein Vorgehen gegen die sudanesische Regierung. Der deutsche Einfluss in der Region soll gestärkt werden. von jörg kronauer

Heidemarie Wieczorek-Zeul war erleichtert. Seit Wochen hatte sie scharfe Maßnahmen gegen die sudanesische Zentralregierung gefordert, am vorigen Donnerstag legte die US-Regierung den Vereinten Nationen einen Resolutionsentwurf vor. »Ich appelliere an den UN-Sicherheitsrat, (…) Sanktionen zu beschließen«, forderte die deutsche Entwicklungshilfeministerin am Freitag zum wiederholten Male.

Der Bürgerkrieg in Darfur im Westen Sudans, den die schwarzafrikanischen Rebellenmilizen SLM/A und JEM im Frühjahr 2003 anzettelten, bringt Kriegsverbrechen mit sich, an denen alle Armeen beteiligt sind, berichtet Jan Egeland, der UN-Koordinator für Nothilfe in Krisengebieten: »Regierungstruppen und mit Sicherheit auch Streitkräfte der Aufständischen.«

Seit Jahresbeginn engagiert sich die Bundesregierung dafür, die Grausamkeiten im Sudan zum Gegenstand der internationalen Politik zu machen. Gegen erheblichen Widerstand setzte sie das Thema im April auf die Tagesordnung des UN-Sicherheitsrates. Außenminister Joschka Fischer brachte eine Stellungnahme zur Lage im Sudan in den Außenministerrat der EU ein, die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, »war die erste Regierungsvertreterin, die auf internationaler Ebene offen von ethnischen Vertreibungen gesprochen hat«, schreibt das Außenministerium auf seiner Internetseite.

Selten ist die Bundesregierung im Inland so wenig kritisiert worden wie bei ihrem Sudan-Engagement. Aber ist das Engagement für die gequälte sudanesische Bevölkerung tatsächlichvon humanitären Erwägungen motiviertes Unterfangen?

Zweifel sind angebracht. Um ihren weltweiten Einfluss auszubauen, engagiert sich die Bundesregierung verstärkt in Afrika. In Djibouti etwa sind bereits Bundeswehrsoldaten stationiert. Im Fall des Sudan habe man sich immer für Resolutionen eingesetzt, »die den Druck auf die sudanesische Regierung erhöhen«, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Das nützt auch der SPLM/A aus dem Süden des Sudan, die sich gerade auf ihren neuen Status als Regierung einer autonomen Region »Südsudan« vorbereitet und in wenigen Jahren ein Referendum über die vollständige Unabhängigkeit abhalten will.

Materielle Grundlage dafür sind die Bodenschätze des Landes, darunter auch Erdölvorkommen. Um die Rohstoffe nicht mehr über das nordsudanesische Port Sudan vermarkten zu müssen, plant die SPLM/A eine Eisenbahnlinie zur kenianischen Hafenstadt Mombasa. Das Projekt »bringt dem Südsudan den Anschluss an die westlich orientierte Welt«, sagt ein Sprecher von Thormählen Schweißtechnik, dem deutschen Unternehmen, das die Eisenbahnstrecke bauen soll, der Jungle World.

»Die Lebensader unserer Unabhängigkeit« nennt Costello Garang von der designierten südsudanesischen Autonomieregierung das Milliarden-Projekt, das den Südsudan wirtschaftlich mit Kenia und Uganda verbinden und von Khartum lösen soll. Die Konstruktion ihrer »Lebensader« hat die SPLM/A ausgerechnet in deutsche Hände gelegt, die Verhandlungen mit Thormählen begannen – das bestätigt ein Unternehmenssprecher der Jungle World – Anfang 2004. Eine ausgezeichnete Chance, den deutschen Einfluss in Ostafrika zu stärken, aber ein riskantes Unternehmen.

»Es muss geprüft werden, inwieweit die Bundeswehr (…) am militärischen Teil einer Sudan-Mission mitwirken kann«, verkündete Kerstin Müller Ende Dezember in der Berliner Zeitung. Die Aussage markierte den Anspruch der Bundesregierung, im Sudan ein Wort mitzureden. Wenige Tage später begann Thormählen mit den Verhandlungen, inzwischen liege die schriftliche Zusage der designierten Autonomieregierung vor. Dieses strategische Projekt ist in deutschen Händen.