Märkte und Generäle

Die US-Strategie gegen al-Qaida von jörn schulz

Prinz Bandar bin Sultan ist erleichtert. »Es gibt keinen Beweis, dass die saudische Regierung al-Qaida finanziert hat«, verkündete die Webseite des Botschafters in Washington gleich nach der Veröffentlichung des Berichts der Untersuchungskommission zum 11. September. Die Kommission fand keine Beweise für den Verdacht, dass Bandars Frau Haifa al-Feisal einem der Attentäter Geld zusteckte, Verbindungen zwischen Regierungsmitgliedern und al-Qaida konnten nicht nachgewiesen werden.

Dem Freispruch aus Mangel an Beweisen folgen allerdings für Prinz Bandar weniger erfreuliche Aussagen. Die Kommission stellt in Frage, ob der »problematische Alliierte« Saudi-Arabien weiterhin ein Verbündeter sein soll und Beziehungen auf einer neuen Grundlage aufgebaut werden können, bei der »es nicht nur um Öl geht«. Der Bericht definiert den islamistischen Terrorismus als eine Bewegung, die sich auf eine minoritäre ideologische Strömung im Islam stützt. Der Wahhabismus, die saudische Staatsdoktrin, wird nicht ausdrücklich als Teil dieser Strömung bezeichnet. Doch der Bericht lässt durchblicken, dass man sich nicht sicher ist, auf welcher Seite das saudische Königshaus steht.

Die USA müssen, so die allgemeine Empfehlung des Reports, ihre Werte offensiv vertreten. Dies erfordere auch eine härtere Haltung gegenüber befreundeten islamischen Staaten, die gegen diese Werte verstoßen. Die Empfehlungen bleiben jedoch inkonsequent. Der Bericht stellt fest, dass viele Offiziere der Armee und des Geheimdienstes Pakistans im Umgang mit islamistischen Extremisten eine »ambivalente« Haltung gezeigt hätten und die Demokratisierung nur »geringe Fortschritte« machte, sieht aber in General Pervez Musharrafs Militärregierung die »beste Hoffnung auf Stabilität« und empfiehlt, sie langfristig zu unterstützen.

Die Werte der USA will die Kommission vor allem durch die Förderung eines modernen Bildungssystems und ökonomische Zusammenarbeit verbreiten. Einmal mehr predigt man den naiven Glauben an die heilende Hand des Marktes: Der internationale Handel fördert den kulturellen Austausch, die Rechtstaatlichkeit und friedliche Konfliktlösungen, das Wirtschaftswachstum stärkt die »Mittelklasse«, die dann zusammen mit dem »privaten Sektor« auf Reformen drängt.

Die Öffnung zum Weltmarkt und die Privatisierungspolitik haben jedoch den Islamismus begünstigt. Denn anders als in volkswirtschaftlichen Lehrbüchern vorgesehen, prosperierten die Mittelschichten nicht. Vom sozialen Abstieg bedroht, wandten sich viele ihrer Angehörigen dem Islamismus zu, zugleich entstand eine fundamentalistische Bourgeoisie, die zum wichtigsten Finanzier des Terrors wurde.

Die Revolten und Proteste zwischen der algerischen Kabylei und Teheran zeigen, dass die soziale Basis des Kampfes gegen den Islamismus und die Autokratie bei anderen Bevölkerungsgruppen zu finden ist, bei der rebellischen Jugend, den Frauen, säkularen Intellektuellen, Lohnabhängigen und Marginalisierten. Ihre Emanzipationsbestrebungen sind jedoch destabilisierend. Sie bedrohen die Macht der Oligarchien, sie stellen auch andere Herrschaftsverhältnisse wie das Patriarchat und die Dogmen des »freien Marktes« in Frage.

Die Kommission erwähnt sie nicht einmal, ihr Bericht ignoriert den Konflikt zwischen Stabilität und Demokratisierung. Daher dürfte sich die US-Regierung auch in Zukunft für die Stabilität entscheiden und die Zusammenarbeit mit afghanischen Warlords und irakischen Ayatollahs der Unterstützung von Frauengruppen oder Gewerkschaften vorziehen.