Harte Kerne

An der Schnittstelle zwischen Rechtskonservatismus und der extremen Rechten machte der Publizist Armin Mohler Karriere. von jan süselbeck

Er sei »einer der Begründer und einflussreichsten Vordenker der oft als ›Neue Rechte‹ bezeichneten rechtskonservativen bis neofaschistischen Strömung in Deutschland« gewesen. So heißt es im Klappentext der neuen Studie des Bremer Politikwissenschaftlers Thomas Willms über den Publizisten Armin Mohler (1920-2003).

Erstmals in der Literatur über Mohler wird der schnelle Aufstieg des Baseler Philsosophiestudenten dokumentiert, der 1942 illegal die schweizerisch-deutsche Grenze überquerte, um sich freiwillig zur Waffen-SS zu melden. Sein zwischen dem Zweiten Weltkrieg und dem Jahr 1970 errungener Einfluss auf deutsche Parteien, Organisationen, Verlage und Zeitschriften ist das Thema der Arbeit.

Dem Autor gelingt dabei auch ein knappes, aber eindringliches Bild der rechtskonservativen Grabenkämpfe in den sechziger Jahren, in deren Zentrum Franz Josef Strauß’ CSU stand. Damals unterstützte Mohler Strauß als Vordenker und Redenschreiber, weil er in ihn seine Hoffnungen setzte. Willms zeichnet nach, wie die CSU angesichts einer angeblichen »linken Kulturrevolution« (Mohler) in ihrem Umfeld ein neues und schlagkräftiges neofaschistisches Organisationsgeflecht aufbaute.

Zeitschriften und Think Tanks wurden gegründet, deren Ziel die Relativierung der NS-Verbrechen war, um die Bahn frei zu machen für eine neue autokratische Politik nach Art von Strauß. Willms arbeitet heraus, wie stark diese Strategie vom neofaschistischen Gedankengut Mohlers geprägt war, dem sogar ein strafrechtliches Verbot zeitgeschichtlicher NS-Forschung vorgeschwebt habe. Stattdessen sollten die »positiven Seiten« des Nationalsozialismus betont werden.

Einer seiner engsten Verbündeten war der Rechtsphilosoph Carl Schmitt. »Der sich über 42 Jahre erstreckende Briefwechsel zwischen Mohler und Schmitt enthält keine Stelle, in der eine (…) eigene schuldhafte Verstrickung in ein verbrecherisches Regime diskutiert wird«, bemerkt Willms. »Stattdessen gefielen sich die Autoren in der Pose der Verfemten und Verfolgten.« Stolz berief sich Mohler auf Schmitts Aufwertung des »Partisanen« und ernannte sich selbst in seiner Dankesrede für den Konrad-Adenauer-Preis 1967 zum »Freischärler«.

Den »Feind« sah man in den sechziger Jahren, wie schon vor 1945, im Osten. Dennoch suchten Mohler und Schmitt auch nach Wegen einer Emanzipation von den USA, ganz im Sinne der CSU. »Um Deutsche bleiben zu können, also um die Grundlagen unserer nationalen Eigenständigkeit in die Ära des Raumfahrtzeitalters hinüberzuretten und die Gemeinschaft unseres Volkes wiederherzustellen, müssen wir Europäer werden«, sagte Strauß im Jahr 1968 und stellte sich einen »integrierten Großraum« unter deutscher Herrschaft vor, wie er erst Jahrzehnte später wieder in greifbare Nähe rücken sollte.

Mit der deutschen Wiedervereinigung verschwanden viele der Tabus, mit denen sich Strauß’ ehemaliger Ghostwriter Mohler jahrzehntelang hatte auseinandersetzen müssen. »Ja«, antwortete er kurz und bündig, als ihn die Leipziger Volkszeitung 1995 fragte, ob er Faschist sei.

Fritz J. Raddatz hatte früher einmal über Mohler in der Zeit geschrieben, dessen Argumentationen erinnerten ihn an die Frage, »wie man einen Pudding an die Wand nagelt«. Noch früher schien das allerdings auch bei der Zeit niemanden gestört zu haben. Mohler, der 1949 in Basel über die »Konservative Revolution in Deutschland 1933–45« promoviert hatte, schrieb zwischen 1955 und 1960 über 200 Artikel für das Blatt. In den folgenden Jahren gab ihm der Chefredakteur der Wochenzeitung Christ und Welt, Giselher Wirsing, ehemaliger Schriftleiter der auflagenstarken NS-Auslandsillustrierten Signal, ein Forum, bevor Mohler im Jahr 1965 für 20 Jahre ständiger Mitarbeiter von Axel Springers Welt wurde.

Prägend sei für Mohler ein mehrjähriger Aufenthalt in Frankreich (1953–61) gewesen, betont Willms. Charles de Gaulles Präsidentschaft habe seine Vision einer aggressiven deutschen Außenpolitik inspiriert. Diese beruhe auf den Kategorien von »Freund und Feind« und enthebe sich jeder moralischen Kategorie. Als Vorbild dienten ihm wohl jene »Sternstunden deutscher Geschichte« (Mohler), in denen sich der deutsche Aktionismus besonders »unmoralisch« entfalten konnte: die Jahre 1933 bis 1945.

Seit 1945 könne man in Deutschland nur noch zwischen »Selbstbehauptung« und weiterer »Schrumpfung« wählen, befand Mohler 1969. Für ihn konnte das nur heißen, vor dem Ausland endlich nicht mehr »hündisch (zu) kriechen«: »Als harte Kerne zwischen den Trümmern erweisen sich die Völker, die sie selbst sein wollen.«

Dafür, dass Deutschland wieder »hart« werde, rackerte er zeitlebens an allen Fronten, die Willms in seinem Kapitel »Organisatorische Zusammenhänge« auflistet. Mohler verdingte sich von 1949 bis 1953 als Privatsekretär Ernst Jüngers und schrieb, teilweise unter Pseudonym, jahrelang für Blätter wie Gerhard Freys rechtsextreme Deutsche National-Zeitung und das Hausblatt der CSU, den Bayernkurier. In seinen erfolgreichen rechtspopulistischen Büchern lieferte er selten Belege für seine Behauptungen, was ihn jedoch nicht daran hinderte, 1967 an der Universität Innsbruck zu habilitieren.

Ab 1961 fand er ein Auskommen in der Friedrich-von-Siemens-Stiftung, deren Geschäftsführer er 1964 wurde und bis zu seiner Pensionierung 1985 blieb. Die Stiftung, der Willms einen Exkurs widmet, verfügte über beachtliche finanzielle Mittel. Als Aushängeschild eines der größten deutschen Konzerne, dessen Namenspatron eine maßgebliche Rolle in der Herbeiführung des NS-Regimes gespielt hatte, gewann sie seit den siebziger Jahren großen Einfluss auf die rechte Ideologiebildung und arbeitete an der Vernetzung von Wirtschaft und Politik.

Dank derlei Informationen ist Willms’ Arbeit mehr als ein bloßes Mohler-Dossier. Sie gibt auch eine kleine Einführung in die braunen Strukturen in der frühen Bundesrepublik.

Thomas Willms: Armin Mohler. Von der CSU zum Neofaschismus. PapyRossa Verlag, Köln 2004, 122 S., 12,50 Euro