Taube Ohren

Der Leiter der Rettungsstelle quittiert den Dienst

Mindestens 13, vermutlich aber mehr Bauarbeiter haben auf den griechischen Baustellen für die Olympiade ihr Leben gelassen. Gründe dafür sind der Zeitdruck und katastrophale Zustände vor Ort. Der Medizinprofessor Ioannis Papadopoulos von der Universität Athen war von 1996 bis Mitte 2004 Leiter der Präventionsabteilung des nationalen Rettungsdienstes. Weil trotz seiner Interventionen die schweren Sicherheitsmängel auf den Baustellen nicht beseitigt wurden, quittierte er im Sommer den Dienst und schloss sich der Anti-Olympia-Kampagne an. In einem Film des Videokollektivs Kinimatografos mit dem Titel »Die Flamme löschen« erzählt der Professor, was ihn zu diesen Konsequenzen bewogen hat.

Im Jahr 2002 sei er erstmals auf der Baustelle des olympischen Dorfs gewesen, um die unerklärlich hohe Quote von zum Teil tödlichen Unfällen zu untersuchen. Papadopoulos war entsetzt: »Es gab keine medizinische Untersuchung der Arbeiter, etwa auf Höhenangst. Sie hatten keine Sicherheitsschuhe und keine Helme, zumindest trug niemand welche.« Die Gerüste entsprachen keinerlei Sicherheitsstandard, die Bretter hatten weder die nötige Breite, noch waren sie vernünftig befestigt. Trinkwasser habe es trotz hoher Temperaturen im Sommer ebenso wenig gegeben wie eine Kantine für die Arbeiter, kritisiert Papadopoulos.

In seinem Schlussbericht hatte der Mediziner all diese Missstände aufgezählt und außerdem konstruktive Verbesserungsvorschläge gemacht. Doch dieser Bericht interessierte offenbar niemanden. »Unsere Vorschläge haben wir ans Ministerium geschickt, an das mit den Bauarbeiten beauftragte Firmenkonsortium, an das Griechische Olympische Komitee und an das Internationale Olympische Komitee in Lausanne. Wir haben von niemandem eine Antwort erhalten, außer aus Lausanne. Das IOC teilte uns mit, es habe das griechische Komitee benachrichtigt«, erklärt Papadopoulos ernüchtert.

Der Grund für das Desinteresse der Verantwortlichen, glaubt er, war wohl die Tatsache, dass 70 Prozent der Arbeitnehmer Migranten waren, oftmals illegal beschäftigte, unausgebildete billige Arbeitskräfte. Der Mediziner ließ nicht locker, und in diesem Sommer besuchte er erneut die Baustellen im olympischen Dorf. »Nach unserem kritischen Bericht ließ man uns nicht mehr hinein, darum mussten wir uns mit einer Gewerkschaftsgruppe auf das Gelände mogeln. Trotzdem versuchte ein privater Sicherheitsdienst, uns zu verjagen. Alles war nach unserem letzten Besuch, sechs Monate zuvor, gleich geblieben, es gab nicht eine Verbesserung.«

Trotz der extremen Hitze habe es weder eine erreichbare Küche, einen Kühlschrank oder einen Wetterschutz gegeben. Und sogar minderjährige Bauarbeiter seien angetroffen worden, berichtet Papadopoulos: »Bei schweren Arbeiten, wie auf einer Baustelle, ist die Einstellung von Arbeitern unter 17 Jahren mit wenigen Ausnahmen verboten. Und unter 16 vollständig.« Trotzdem tauchen in den Statistiken über Arbeitsunfälle auch einige Jugendliche auf. Unvorstellbar für den Athener Arzt: »Wie wurden diese Kinder versichert? Da muss eine Gesetzesverletzung vorliegen. Wenn man einen 14jährigen auf ein Gerüst schickt, gibt es eine erhöhte Unfallgefahr. Das ist doch logisch, wenn man jung ist, lässig und keine Ausbildung zur Unfallprävention hinter sich hat.«

Das alles erklärt Papadopoulos auf einem Video der Anti-Olympia-Bewegung. Die etablierten Medien haben sich dafür nicht interessiert.

fabian sängerübersetzung der zitate: harry ladis