Fuelled by Jägermeister

Zwischen Männerschweiß und Provo-Texten. Die Bloodhound Gang tourt mal wieder durch Deutschland. von stefan rudnick und ivo bozic

Entschuldigung, Hamburg, aber es muss gesagt werden: »You guys are much better than Hamburg.« Und damit meinte Sänger Jimmy Pop beim Konzert seiner Bloodhound Gang letzte Woche im Berliner SO 36 eindeutig die Hauptstädter. Wir stehen mitten im völlig überfüllten Konzertsaal und freuen uns über dieses Kompliment aus berufenem Munde. Der Schweiß tropft von der Decke, von den Wänden, von den Menschen, eigentlich von überall her. Man glaubt gar nicht, was alles schwitzen kann. Und wie man selbst schwitzen kann. Dagegen ist Sauna eine Kneipp-Kur. Trotz der pitschenassen Umstände herrscht eine Atmosphäre wie im Fußballstadion, wenn alles glatt läuft. Aber auch in Hamburg, im Grünspan, muss es verdammt heiß gewesen sein. »The backstage was so hot during the day that we were all sweating like the fat American pigs we are«, schreibt die Gang auf ihrer Homepage. Ihr heißestes Konzert ever sei in Chemnitz gewesen. Deutschland scheint besonders schlecht gelüftete Konzertsäle zu haben.

Also schwitzen wir eben. Was soll’s, triefende T-Shirts, viele Tattoos auf nackter, feucht glänzender Haut. Der geschätzte Frauenanteil beträgt zehn Prozent – immerhin. Mehr als wir erwartet haben, zu unserem Männerabend. Schließlich ist die Bloodhound Gang bekannt für sexistische Texte, eine Mischung aus schlichtem Hiphop und flottem Partyrock und für eklige Bühnenperformances. Nichts für Weicheier. Oder eben gerade für die. Die, die sich sonst nicht trauen.

Als die Gang 1995 in einem Vorort von Philadelphia gegründet wurde, war das eher ein Gag. Sie coverte Depeche-Mode-Songs; in Erinnerung an die englische Synthielegende, weil man zu deren Musik auf Partys die Mädchen am schnellsten dazu bewegen konnte, sich zu entkleiden. So geht die Legende. Wahrscheinlich standen die Jungs einfach auf Depeche Mode, und um nicht als schwul oder als Popper zu gelten, gab man sich den Prollo-Anstrich. Egal. Im SO 36 sind es jedenfalls die Männer, die sich oben herum entkleiden. Es ist zu voll, um regelmäßig zum Tresen zu kommen und Nachschub zu holen. Der Alkoholspiegel ist daher niedriger als erwartet. Im Publikum. Auf der Bühne ist das nicht so gewiss. Hinter der Band hängt ein großes Werbebanner mit Hirsch: »Fuelled by Jägermeister«. Ob die Band schon abgefüllt auf die Bühne gekommen ist, wissen wir nicht. Nach dem letzten Song jedoch lässt sich der Bassist Evil Jared per Schlauch und Trichter eine Literflasche Jägermeister verabreichen. Er schafft noch alle drei Zugaben. Respekt!

Obwohl die Band seit 1995 existiert, hat sie nur drei Alben auf den Weg gebracht. Das letzte, »Hooray For Boobies«, ist bereits fünf Jahre alt. Trotzdem tourt die Band unermüdlich durch die Weltgeschichte und erfreut die Fans, weil die inzwischen alle Songs kennen und mitsingen können. Das liegt natürlich auch daran, dass es so viele Lieder zu radiotauglichen Hits gebracht haben. Und wer kennt nicht das Video zu »The Bad Touch«, in dem die fünf Jungs in lächerlichen Affenkostümen durch Paris rennen und sexuelle Gesten machen? Sowieso. Im Universum der Bloodhound Gang dreht sich so ziemlich alles um Titten, Schwänze und Drogen, die Sonne über ihrem Himmel ist ein Rotlicht und der Weg vor ihnen eine weiße Linie. Dass sie es mit diesem Themen-Mix immer wieder in die Charts schaffen, ist fast ein kleines Wunder.

Und dass man eine solche Provo-Band im irgendwie ja doch linken SO 36 aufspielen lässt, auch. Warum gehen so nette, harmlose Jungs wie wir auf ein Bloodhound-Gang-Konzert, werden wir jetzt ständig gefragt. Deshalb. Weil wir nicht so nett und harmlos sein wollen, wie wir sind. So ungefähr funktioniert das Ereignis Bloodhound Gang. Sie sind die ideellen Gesamtschurken, die bösen Buben, die Bad Guys. Egal, was sie singen; Hauptsache, es ist verboten, unkorrekt. Zwar äußern sich die bekennenden Simpson-Fans auf dem Konzert auch politisch, aber so ganz klar wird nicht, worum es ihnen geht. Zuerst schaffen sie es, das SO-36-Publikum zum Skandieren von »America sucks« zu animieren, zuletzt widmen sie den Hit »Fire Water Burn« entweder George Bush oder Michael Moore. Das haben wir nicht genau verstanden, brüllen aber dennoch begeistert den Refrain mit: »Burn, motherfucker, burn!« Es wird schon den Richtigen treffen.

Das ist der Unterschied zu einem Besäufnis in der Fankurve: Alle fühlen sich ganz ungemein böse, in Wirklichkeit ist aber absolut klar, dass hier heute niemandem auch nur ein Haar gekrümmt wird, und alle lieb und nett zueinander sind. Punkrock eben irgendwie. Oder sagen wir so: Bloodhound Gang, das ist ein musikalischer Jackass. Sinnlos, derb, ein kleines bisschen gefährlich, aber nur für einen selbst, und ruckzuck wieder vorbei, vor allem eine Show, eine Inszenierung. Ein Flirt mit dem Tabu. Was für eine Vorstellung: Man stellt den Eltern den Star seiner feuchten Träume vor: »Mom and Dad, this is Chasey. Chasey, this is my mom and dad. Now show ’em them titties.« Shocking!

Apropos Jackass. Nicht zufällig gibt es einen Song der Bloodhound Gang mit diesem Titel. Der relativ philosophische Text: »If you knew me like I know myself, you’d hate me like I hate myself.« Auch diesen Song hören wir im SO 36. Und nicht nur während dieser Aussagen rotzen sich die Bandmitglieder gegenseitig mit großem Eifer an. Zum Glück stehen wir nicht in der ersten Reihe. Und das ist auch deshalb gut, weil wir nicht aus Versehen als »Lieblings-Groupies« auf der Homepage landen wollen. Wer auf die Bühne klettert, sei es um Stagediving zu machen oder einem der Musiker während eines Stückes einen »handjob« zu besorgen, der oder die muss damit rechnen, von Jimmy Pop mit der Polaroid-Kamera aufgenommen und unter der wunderbar trashigen Rubrik »Hooray For Groupies« veröffentlicht zu werden. Ob Mann oder Frau, spielt dabei keine Rolle.

Anders für die Reporterin von Radio Fritz, die draußen vor der Tür lauert und von uns wissen will, wie wir das Konzert fanden. Ja, ja, alles supi! Und sonst? Ja, frag was! Wie fandet ihr’s? Ja prima! Aber eigentlich will sie lieber eine Frau interviewen, findet jedoch keine, die etwas sagen möchte. Draußen auf der O-Straße, der Kreuzberger Flaniermeile, herrscht Sommerabendstimmung. Wir wringen unsere T-Shirts aus, das ergibt eine große Pfütze. Zum Glück war das eben nur die Fritz-Reporterin mit ihrem Mikro. Die Praktikanten vom Stadtmagazin zitty, die dich sonst immer nach Konzerten nerven, wollen auch noch ein Foto von dir, und dann guckst du später verschwitzt und zerzaust mit einem meist blöden Zitat garniert aus der zitty. Dann lieber gleich Groupie des Monats bei der Bloodhound Gang.