Besuch in Damaskus

Im Libanon entscheidet nicht allein das Parlament darüber, wer Präsident wird. Auch Syrien und die USA beeinflussen die Wahl. von hannah wettig, beirut

George W. Bush macht sich nicht nur Gedanken über die Präsidentschaftswahl in den USA. »Ich freue mich auf Wahlen, die die libanesische Verfassung achten, und auf eine Zukunft für einen vollkommen souveränen Libanon, frei von äußerer Einmischung«, sagte er jüngst in Florida.

Im November soll auch im Libanon ein neuer Präsident gewählt werden. Der Libanon ist bisher die einzige Demokratie in der arabischen Welt, deren Herrscher die US-Regierung zu Reformen drängt. Bisher wurde der Präsident zwar vom libanesischen Parlament gewählt, aber von Syrien bestimmt. Die USA versuchen deshalb, Druck auf Syrien auszuüben. Viele Libanesen glauben jedoch, dass die US-Regierung sich eher mit den Syrern arrangieren als sie zum Verlassen des Libanon und zur Demokratisierung zwingen wird.

Die syrische Regierung, die sonst kaum eine Gelegenheit auslässt, die US-Politik in regierungsnahen Medien kritisieren zu lassen, begrüßte Bushs Worte. »Ehrlich gesagt, ich mochte Präsident Bushs letzte Äußerung über Libanon«, sagte der syrische Außenminister Farouk al-Sharaa. »In den letzten 25 Jahren galt unsere Hauptsorge der Möglichkeit, dass der Libanon unter israelische Hegemonie fallen könnte. Wenn Präsident Bush dies meinte, heißen wir das willkommen.«

Bush dürfte allerdings eher die syrische Hegemonie gemeint haben: Im vergangenen Jahr hat der US-Kongress den Libanon-Souveränitätsakt verabschiedetet, der Syriens Einmischungen anprangert. Die syrischen Truppen sind nach dem Ende des Bürgerkriegs vor 14 Jahren nicht wieder aus Libanon abgezogen, der syrische Geheimdienst ist überall präsent, und politische Entscheidungen werden stets mit Damaskus abgesprochen.

»Viele Libanesen betrachten diese Situation als normal«, wurde kürzlich in einer Erklärung der christlich-maronitischen Bischöfe kritisiert. Tatsächlich fällt in der Regel nur dann eine Kabinettsentscheidung, wenn der Präsident, der Premierminister und einige Minister in Damaskus vorgesprochen haben. Auch die Präsidentschaftskandidaten und die einzige Kandidatin haben bereits den Pflichtbesuch in Damaskus absolviert.

»Normalerweise hilft Amerika Syrien dabei, den besten Präsidenten zu finden. Auch Saudi-Arabien und die Europäer reden manchmal ein Wörtchen mit«, bemerkt Ghassan Makaram, der Direktor der Libanesischen Assoziation für Demokratische Wahlen, mit ironischem Unterton. Generell entscheiden die Syrer, wer Präsident wird, während »die USA versuchen, ihren Wunschkandidaten für das Premierministeramt durchzudrücken«. Der Präsident steht als Oberbefehlshaber der Armee für Stabilität. »Da akzeptieren die Amerikaner die syrische Entscheidung, weil sie immer noch Angst vor militanten Gruppen haben und auch davor, dass die Hizbollah außer Kontrolle gerät«, sagt Makaram. Der Premierminister dagegen bestimmt die Wirtschaftspolitik des Landes. Premier Rafik Hariri ist bekannt für seine rigorose Privatisierungspolitik.

Bei der Wahl im November dürfte die syrische Regierung kaum Probleme haben, einen Wunschkandidaten durchzusetzen. Um das Gleichgewicht zwischen den 19 offiziell anerkannten Konfessionen im Land zu halten, muss der Präsident stets ein Maronit sein, während der Premierminister sunnitischer und der Parlamentssprecher schiitischer Muslim ist. Früher war der Präsident stets eine wichtige Führungsfigur aus einer alten Großgrundbesitzerfamilie der Maroniten, der größten Konfession im Libanon. Doch die großen politischen Strömungen der maronitischen Bevölkerungsgruppe sind geschwächt und weitgehend diskreditiert. Die Präsidentschaftskandidaten sind in diesem Jahr allenfalls lokale Größen in ihren Dörfern. So bleibt ihnen nur, nach Damaskus zu pilgern.