Der Mann mit Eigenschaften

Verfahren gegen Manfred Kanther

Als Manfred Kanther 1993 Bundesinnenminister wurde, musste man keine Angst mehr haben. Man wusste bei seinem Amtsantritt, dass dieser Mann es ernst meinte. Sein gemeißelter Scheitel war ein stummes Versprechen. Er wollte Deutschland rechtwinklig machen, koste es, was es wolle. Bei seinen Auftritten in der Öffentlichkeit verströmte er die Aura eines blank gewienerten Kasernenhofs, auf dem kurz zuvor noch Exekutionen stattgefunden hatten. Ja, genau so einen hatte man sich heimlich ersehnt, einen, der aufräumt und durchgreift und der den Langhaarigen endlich mal zeigte, wo ihr Platz war. Und den Kurzhaarigen auch. Und allen anderen.

Er kam seinerzeit nicht direkt aus dem Schlund der Hölle, aber aus einer patriotischen Kampftruppe, deren Sitz nicht weit davon entfernt liegt: aus der hessischen CDU, die nicht zufällig im Ruf steht, die Unbeugsamsten der Partei zu beherbergen. Und er hatte dazu noch einen Namen, der so klang, als werde mit sicherer, fester Hand ein Stockhieb ausgeteilt. Kanther! Ah! Wir haben ihn geliebt, denn er war der Minister, den Deutschland verdient hatte. Wie haben wir bittere Tränen vergossen, als die rot-grüne 68er-Bande ihn nach der Abwahl Helmut Kohls durch einen verzärtelten Kerl ersetzte, der früher als Rechtsanwalt für die langhaarigen Bombenleger gearbeitet hatte. Lieber hätten wir den rechtschaffenen Mann, den Kanther, behalten. Ihm haben wir voll und ganz vertraut.

Heute wird dieser ehrbare Mann wegen einer lächerlichen so genannten Schwarzgeldaffäre vor ein deutsches Gericht gezerrt. Mehr als 20 Millionen Mark, von denen außer Kanther und seinen Getreuen keiner so recht weiß, woher sie stammen, soll er 1983 von geheimen Konten der CDU auf Schweizer Bankkonten geschafft haben, um auf »konspirative« Art und »nach eigenem Gutdünken« (Spiegel) darüber zu verfügen.

Gegen Recht und Gesetz soll gerade er, unser blitzsauberer Rohrstockminister, »dauerhaft« (Frankfurter Rundschau) verstoßen haben. Von allerlei dunklen Machenschaften, von »illegalen Praktiken«, »Kontoplünderung«, »Untreue« ist die Rede, von »Schwarzgeld«, »geheimem Auslandsgeld« und davon, dass er dieses Geld seiner Partei entzogen habe.

Aber das stimmt ja gar nicht! Das Vermögen wurde ja nur ein kleines bisschen geheimgehalten, um die zackige Wahlkampagne des »Hessen-Hitlers« (Titanic) Roland Koch und dergleichen zu finanzieren.

Manfred Kanther hat deshalb nun vor Gericht noch einmal richtig vom Leder gezogen. Von der »standhaften«, »nie erlahmenden Kraft« seiner Partei hat er gesprochen und davon, dass man »die linke Speerspitze« im Gegensatz zur heutigen Verhätschelungstaktik zu seinen Zeiten noch ordentlich »stumpf gemacht« habe. Der Geldhaufen, von dem niemand nichts gewusst habe und für den sich auch »niemand interessiert« habe, sei nun mal benötigt worden, um den »linkswütigen Zeitgeist« zu zerschlagen, also praktisch auf deutschem Boden den Kommunismus zu verhindern bzw. wenigstens Hessen zu befreien. Recht so! Schließlich muss man, wie der redliche Kanther sagte, »mit CDU-Geld CDU-Aufgaben erfüllen«.

Kanther, der sich »gerade hält, wie ein Offizier beim Abschreiten der Truppe, und genauso schneidig ist der Ton« (Spiegel), betonte, dass er kein Verbrecher sei. Er habe »anständig« gehandelt. Und das glauben wir ihm auch. Wem könnte man denn noch glauben, wenn nicht dem ehemaligen Führer des Bundesgrenzschutzes und des Bundeskriminalamts? Wem denn noch? Wem denn?

thomas blum