Ärger im Großstadtrevier

In Hamburg haben Aktionstage für den Wagenplatz »Wendebecken« begonnen. Der Zorn der Linken über die Senatspolitik könnte sich erneut an einem solchen Thema entzünden. von gaston kirsche

Die Bauwagenplatzbewohner müssen den Platz bis zum 31. August räumen, das ist vertraglich so geregelt, und das wird auch durchgesetzt«, kündigte Mitte voriger Woche der Hamburger Bausenator Michael Freytag (CDU) an. Der CDU-Senat zeigt Härte gegenüber den BewohnerInnen des Platzes »Wendebecken« in Barmbek-Nord.

Am 31. August lief der Pachtvertrag für das Gelände zwischen der Stadt und dem Bauwagenverein »Mobiles Wohnen in Barmbek« aus. Eigentümerin des Platzes ist die Finanzbehörde. Die 17 BewohnerInnen wollen nur gemeinsam auf einen anderen Bauwagenplatz umziehen und sich nicht auf Wohnungen verteilen lassen. »Ansonsten werden wir diesen Ort nicht freiwillig verlassen. Wir lassen uns nicht einfach ersatzlos unseren Wohnraum wegnehmen«, sagte Alex Busche vom Wendebecken. Senator Freytag hielt dagegen: »Es wird keinen neuen Bauwagenplatz geben.«

Die parlamentarische Opposition hat sich verbal auf die Seite der Wagenplatzleute geschlagen. Antje Möller, eine Bürgerschaftsabgeordnete der Grün-Alternativen Liste (Gal), stellte fest: »Senator Freytag sucht ohne Not die Konfrontation mit den Bauwagenbewohnern. Mit seiner heutigen Räumungsandrohung torpediert er eine friedliche und vernünftige Lösung.« Der Bürgerschaftsabgeordnete Werner Buss (SPD) scheint sich vor allem um eine Eskalation in Barmbek-Nord Sorgen zu machen: »Die Wackelpolitik des Bürgermeisters in der Bauwagenfrage müssen jetzt möglicherweise die Hamburger Polizei und die Bewohner Barmbeks ausbaden.« Die beiden auf Landesebene wortreich gegen eine Räumung opponierenden Parteien haben auf kommunaler Ebene, im Bezirk Hamburg-Nord, die Mehrheit.

Bezirksamtsleiter Mathias Frommann (SPD) bot den BauwagenbewohnerInnen Wohnungen als Ersatz an. »Seitdem wir jedoch dem Bezirk mitgeteilt haben, dass wir weiterhin im Wagen zusammen wohnen wollen und deshalb Wohnungen für uns nicht in Betracht kommen, hat es trotz Bemühungen unsererseits bisher keine weiteren gemeinsamen Gespräche gegeben«, berichtet Kim Müller vom Wendebecken. Der Sprecher des rot-grünen Bezirkamts Nord, Jan Peter Uentz-Kahn, blieb dabei: »Sollte der Platz nicht fristgemäß geräumt sein, lassen wir diesen von der Polizei räumen.« Auch Udo Nagel (parteilos), den der frühere Innensenator Ronald Schill im Jahr 2001 für das Amt des Polizeipräsidenten aus Bayern nach Hamburg holte und den die CDU im neuen Senat zu dessen Amtsnachfolger machte, demonstriert Härte: »Wir sind vorbereitet auf eine Räumung des Geländes und werden handeln, sobald das Bezirksamt eine entsprechende Verfügung erlässt.«

Die CDU hat bei den Bürgerschaftswahlen am 29. Februar nicht nur einen guten Teil der Wähler der Schill-Partei übernommen, sondern scheint sich auch an deren Politik von Law and Order zu orientieren. So empörte sich Senator Freytag in diesem auch symbolischen Konflikt: »Wir lassen uns von den Bauwagenbewohnern nicht erpressen.« Ähnlich wie beim Konflikt um die Wagenburg Bambule werden eineinhalb Dutzend Bauwagen zur Bedrohung der »inneren Sicherheit« erklärt. Auch damals forcierte die auf kommunaler Ebene regierende SPD gemeinsam mit der städtischen Innenbe hörde die Räumung.

Die Räumung des Platzes Bambule, gegen die monatelang zum Teil militant demonstriert wurde, jährt sich im November zum zweiten Mal. »Bambule steht weiterhin im Raum«, sagte der Sprecher des Platzes, Bernd Welte, im März 2004. »Die politische Vernunft muss sich durchsetzen«, damit »Leute in dieser Wohnform leben können«. Sein Appell an die »politische Vernunft« eines Senats, der in fast allen Bereichen der Politik reaktionäre Konzepte verfolgt– von der Schließung eines Frauenhauses zum Jahresende über verschärften Sozialabbau bis zu immer mehr Abschiebungen –, scheint absurd. Aber der Protest für den Erhalt von Bauwagenplätzen, ob er in militanter oder gewaltfreier Form daherkommt, ist nun mal nicht zwangsläufig radikal.

Das demonstrierte etwa die Bauwagengruppe Henriette, deren Vertrag im März auslief. Als ihre Räumung vom Senat um 18 Monate aufgeschoben wurde, um kurz nach den Wahlen Liberalität zu heucheln, erklärte deren Sprecherin Natalie Rajcevic blauäugig: »Man kann überhaupt nicht von Fronten reden.« Henriette sei im Stadtteil akzeptiert und auch von den Bezirkspolitikern der CDU unterstützt worden.

Im Nachhinein kritisierten einige Hamburger Linke, dass auch der Bambule-Protest zu sehr auf den Erhalt des Bauwagenplatzes beschränkt gewesen sei. Alex Busche vom Wendebecken sagte dazu der Jungle World: »Ja, wir können etwas mit dieser Kritik anfangen. Wir würden es begrüßen, wenn andere Schweinereien des Senats mehr Beachtung finden würden.«

Zwar sei die Vermischung von Politik und existenziellen Fragen des Lebens »eher anstrengend«, doch man freue sich, wenn auch andere Themen im Protest angesprochen würden. »In Anbetracht der Räumung, wo noch tausend Dinge organisiert werden müssen, sind wir momentan aber damit überfordert, in bestimmte wichtige Diskussionen tiefer gehend einzusteigen«, sagt Busche.

Die Äußerungen des Bausenators Freytag lassen darauf schließen, dass ohnehin nicht mehr allzu viel Zeit für politische Diskussionen bleibt. So sagte er: »Wir suchen die Konfrontation nicht, aber wir gehen ihr auch nicht aus dem Weg.« Wird sich gegen seine Haltung ein lang andauernder Protest wie bei der Bambule entwickeln? Kim Müller vom Wendebecken wagt keine Prognose. »Wir werden auf jeden Fall nicht vom Platz gehen, solange uns kein Ersatzgelände zur Verfügung gestellt wurde. Dementsprechend rufen wir auch zu Aktionstagen ohne Ende auf.«

Auf der Demonstration zum Auftakt der Aktionstage am 27. August unter dem Motto »Anker werfen, Wendebecken verteidigen, Regierung zum Kentern bringen!« stand den 700 DemonstrantInnen ein übermächtiges Polizeiaufgebot gegenüber. Aber der Protest kann sich ja noch entwickeln. Auch auf Infoveranstaltungen kurz vor Räumung der Bambule saßen teilweise nur 30 Leute zusammen. Doch plötzlich waren sie da, die »erlebnisorientierten Jugendlichen«, wie sie im Polizeijargon heißen, und störten das Hamburger Bürgertum in seiner Ruhe.

Mehr Informationen unter www.wendebecken.org