Angriff aus dem großen Zelt

Auf dem Wahlparteitag der Republikaner in New York wurde George W. Bush als standhafter Kriegspräsident präsentiert. Die Attacken auf die Demokraten waren schärfer denn je. von william hiscott

Als George Bush senior 1988 das Präsidentenamt gewann, verdankte er den Sieg auch zwei Werbespots. Der erste zeigt, wie Willie Horton im Bundesstaat Massachusetts seinen Hafturlaub antritt. Eine Stimme aus dem Off erzählt, dass der Afroamerikaner und verurteilte Mörder eine Frau vergewaltigte, und gibt dem damaligen Gouverneur von Massachusetts und Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, Michael Dukakis, die Schuld daran, dass solche Verbrecher frei umherlaufen dürfen. Der zweite Spot zeigt Dukakis selbst, wie er mit Helm in einem Panzer durch die Gegend fährt, und kontrastiert diese Pose mit dem angeblich lauen Patriotismus und der unmilitärischen Schwäche des Kandidaten. Dukakis war danach erledigt.

Lee Atwater, der 1991 verstorbene Erfinder dieser Kampagne, wäre sicherlich stolz auf das hasserfüllte Spektakel auf dem republikanischen Parteitag in der vergangenen Woche. »Es war eine brutale Maßnahme politischer Kriegsführung«, kommentierte David Corn in der linksliberalen Wochenzeitung The Nation , die Los Angeles Times berichtete, die Republikaner hätten »das Feuer auf Kerry eröffnet«. Maureen Dowd, eine bekannte Kolumnistin der New York Times, nannte die republikanischen Wahlkampfstrategen schlicht »politische Mörder«.

Mit dem hoch dekorierten Vietnamveteranen John Kerry haben es die Republikaner nicht so leicht wie mit Dukakis. Die Vorwürfe sind dennoch die gleichen geblieben: Die Demokraten sind wankelmütig, es mangelt ihnen an Patriotismus und Entscheidungsfreude in militärischen Angelegenheiten. Unter der Obhut des Schülers von Atwater, Karl Rove, wurden diese Behauptungen auf der Convention, dem Wahlparteitag in New York, immer wieder laut, ergänzt um den Vorwurf, es mangele den Demokraten an Männlichkeit. Der kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger gab am zweiten Tag der Convention das Stichwort mit dem Spott über girlie men, die so verweichlicht seien, dass sie sich über die Wirtschaftslage Sorgen machten. Auch die längst widerlegte Behauptung, Kerry habe sich seine militärischen Auszeichnungen im Vietnamkrieg erschlichen, durfte nicht fehlen.

Am dritten Tag der Convention wurde der Ton noch schärfer. Zell Miller, ein nomineller Demokrat und Senator aus Georgia, erklärte: »In der verzerrten Denkart (der Demokratischen Führung) ist Amerika das Problem, nicht die Lösung. Sie glauben nicht, dass es in der Welt irgendeine wirkliche Gefahr gibt, außer jener, die Amerika provoziert. Kerry würde Paris die Entscheidungen überlassen, wann Amerika verteidigt werden muss. Ich möchte, dass Bush entscheidet.«

Bereits seit dem Frühjahr stellen die Republikaner Kerry als einen Mann dar, der Frankreich gehorche. Ihn zu wählen, ist aus dieser Sicht schon fast Hochverrat. Ergänzt wird dies durch die Behauptung, Kerry wolle durch Etatkürzungen das Militär schwächen. »Dies ist der Mann, der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte sein will?« empörte sich Zell. »Streitkräfte, ausgerüstet womit? Mit Papierkügelchen?«

Dass in den Jahren nach dem Kalten Krieg, als Kerry für eine Kürzung der Militärausgaben eintrat, Dick Cheney noch härtere Einschnitte forderte, hindert heute den Vizepräsidenten nicht daran, den demokratischen Kandidaten der Pflichtvergessenheit in militärischen Angelegenheiten zu beschuldigen. Kerry verstehe die »oberste Pflicht« des Oberbefehlshabers nicht: »Sie besteht darin, die amerikanischen Truppen im Krieg zu unterstützen.« Ein Senator könne 20 Jahre lang falsch liegen, ohne größeren Schaden anzurichten, erklärte Cheney im Hinblick auf Kerrys parlamentarische Arbeit. »Aber ein Präsident gibt stets die entscheidende Stimme ab. Und in dieser Zeit der Herausforderung braucht und hat Amerika einen Präsidenten, bei dem wir darauf zählen können, dass er das Richtige tut.«

»Bush und seine Bande haben entschieden, dass der einzige Weg, an der Macht zu bleiben, der ist, so viel Dreck auf Kerry zu werfen, dass er am Ende aussieht wie ein Dreckspatz«, resümiert E. J. Dionne Jr. in der Washington Post. Doch eine Strategie, die Bushs männliche Standhaftigkeit preist, geht implizit davon aus, dass der Präsident die richtigen Entscheidungen getroffen hat. Die positiven Auswirkungen des Irakkriegs auf die Demokratisierung des Nahen Ostens oder der Steuersenkungen für die Oberschicht auf die US-Wirtschaft lassen jedoch auf sich warten. So zog Bush es vor, seine »Visionen« für die zweite Amtszeit zu präsentieren. Er sprach von Mitgefühl, vom amerikanischen Traum, von einem reformierten Schulsystem, einer umfassenden Gesundheitsreform nach der Wahl und einer Verbesserung der Studienmöglichkeiten und der Erwachsenenbildung.

Seit dem Vietnamkrieg war kein Wahlkampf so stark von außenpolitischen Themen geprägt, und die Präsentation des aufrechten Kriegspräsidenten Bush ist der Kern der republikanischen Strategie. Doch mit seiner Rede knüpfte Bush an seinen im Wahlkampf 2000 propagierten Big Tent-Republikanismus an. Die Republikaner gelten als Partei der weißen und protestantischen Besitzenden, die Strategie des »großen Zeltes« soll andere Wählergruppen integrieren: Arbeiter, Katholiken, Immigranten, Latinos, Afroamerikaner und Frauen. So soll die Zugehörigkeit zu den Republikanern zu einem ideologischen Bekenntnis werden, das nicht an Merkmale wie Klasse, Religion, Geschlecht oder Herkunft gebunden ist.

Allerdings darf das Zelt nicht zu groß sein, weil unter den in ihm Versammelten sonst schnell Streit aufkäme. Die republikanische Basis ist weiterhin überwiegend konservativ-protestantisch und vertritt eine harte Ausgrenzungspolitik unter anderem gegen Homosexuelle, Befürworter der legalen Abtreibung, Kriegsgegner und Liberale im Allgemeinen – auch gegen liberale Republikaner. Bush kann es nicht riskieren, diese Basis zu verärgern.

So hatte die Hasskampagne während der Convention vor allem das Ziel, die Anhängerschaft zu emotionalisieren – durch eine klare Grenzziehung zwischen Freund und Feind, Republikanern und Demokraten, letztlich zwischen aufrechten Patrioten und Verrätern. Während draußen vor dem Madison Square Garden die größte Demonstration gegen einen Wahlparteitag seit 1968 stattfand, wurden drinnen eifrig die ideologischen Kriterien zum Ausschluss aus dem »großen Zelt« festgeklopft.

Bush erfreute die christliche Rechte in seiner Parteitagsrede zudem mit der Anerkennung der so genannten Rechte der Ungeborenen. Sollte Bush die Wahl gewinnen, hätten Abtreibungsgegner die Mehrheit in allen gesetzgebenden Instanzen und die Möglichkeit, ein umfassendes Abtreibungsverbot durchzusetzen.

Derzeit teilt sich die wahlberechtigte Bevölkerung in zwei etwa gleich große Gruppen. Entscheidend ist jedoch nicht die Gesamtzahl der Stimmen, sondern die Zahl der von den Bundesstaaten gestellten Wahlmänner. Über die Präsidentschaft wird in etwa einem Dutzend swing states entschieden. Die Stimmen, die Bush dort noch braucht, will er nun mit rechten Parolen, machistischem Patriotismus und Lügen gewinnen.