Disneyland City

Köhler und Berlin

Als es in diesem Land noch gemächlicher zuging und nicht stündlich mit Reformen gedroht wurde, bestand die Aufgabe des Bundespräsidenten darin, gelegentlich ein Band durchzuschneiden bzw. besonnen dreinzuschauen, wenn Neonazis versehentlich jemanden totgeschlagen haben. Diese Zeit der Stille ist passé.

Mit Horst Köhler haben wir in diesem Amt nun eine forsche, virile, agile, ja hyperaktive und uns per Medienpräsenz dauerpenetrierende Stimmungskanone, die randvoll ist mit Mitteilungs- und Betätigungsdrang, einen sich rund um die Uhr vor die Kameras drängenden Aktivpräsidenten, der im Ermutigen, im Herbeischwindeln von klebrigem Optimismus, und im Begeistern, im marktschreierischen Reklamemachen für Deutschland, seine wesentlichen Aufgaben sieht.

Unentwegt ist er spazierenderweise am Brandenburger Tor zugange, wo er wiederholt ungefragt Kegelclubmitgliedern die Hände schüttelt und dergleichen.

Damit aber nicht genug. Seit er neulich zu Gast beim Berliner Bürgermeister war, hat er es auf die ganze Stadt abgesehen und will fortan »Berlin helfen«. Die Stadt sei »unglaublich spannend« und müsse zum »Leitbild für Deutschland« werden. »Eine zuversichtliche Nation braucht eine kraftvolle Hauptstadt.« Was ein Präsident halt so sagt, wenn er den Mund aufmacht.

»Köhler sprach begeistert über Berlin« (Tagesspiegel), was vermutlich daran liegt, dass er außer seiner Villa in Dahlem, dem Schloss Bellevue und dem Brandenburger Tor noch nichts von der Stadt gesehen hat.

Genau so einer hat uns gefehlt. Ein geradezu amoklaufartig hin- und herspazierender Grüßaugust, ein uns auf allen Fernsehkanälen zuprostender Sprücheklopfer, der uns immerzu zuruft: »Deutschland! Hauptstadt! Aufschwung! Anpacken! Ärmel hochkrempeln! Berlin! Unglaublich spannend!« Und dabei erstrahlt auf seinem Gesicht dieses unheimliche gusseiserne Lächeln eines Untoten, wie wir es von den Moderatoren nächtlicher Dauerwerbesendungen für Töpfe und Pfannen so gut kennen.

Köhler winkt dabei in die Kameras und versichert, alles sei aufs Beste bestellt. Vielleicht sollte ihm mal jemand mitteilen, dass er nicht der Präsident von Disneyland ist. Es wäre an der Zeit.

thomas blum